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Wenn ein jüdisches Mädchen Instagram gehabt hätte…

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Quelle: BILD/ Instagram/eva.stories / AP / Reuters
1:26 Min.

Wie sähe es aus, wenn ein jüdisches Mädchen, das Opfer der Nazis wurde, seine Gefühle in Videos auf Instagram verewigt hätte?

Anlässlich des israelischen Tags des Gedenkens an Holocaust und Heldentum („Jom haScho’a“) ist ein Onlineprojekt gestartet, das die junge „Social Media“-Generation für das schrecklichste Verbrechen der Menschheitsgeschichte sensibilisieren soll: Auf dem Instagram-Profil „eva.stories“ wird die wahre Geschichte eines 13-jährigen Mädchens aus Ungarn erzählt, das 1944 im deutschen Vernichtungslager Auschwitz ermordet worden war.

Ziel ist, mit dieser persönlichen, modern aufbereiten Geschichte an die sechs Millionen im Holocaust ermordeten Juden gedenken.

„Evas Story“ zeigt ab dem 1. Mai (15.00 Uhr MESZ) im stündlichen Takt kurze Videos auf Instagram. Eine junge Schauspielerin schlüpft in die Rolle von Eva Heymann, dokumentiert mit ihren selbstgedrehten Handy-Clips die schrecklichen Folgen von Rassismus und Ausgrenzung in der Nazi-Zeit.

„Was wird Martha mit nicht einmal einem Koffer in Polen machen?“

Im Stunden-Takt erscheinen ab dem 1. Mai, 15 Uhr (MESZ) für 24 Stunden 70 Kurzfilme über Evas Leben: Das junge Mädchen verliebt sich, feiert ihren Geburtstag, tanzt mit ihren Freunden, besucht ihren Großvater in seiner Apotheke. Alles wird dokumentiert durch die Kamera ihres Smartphones, mit Emojis, Texten, oder Hashtags versehen.

Jedoch wird die augenscheinliche Unbeschwertheit schon zu Anfangs immer wieder von schrecklichen Vorfällen gestört: Ein Mann ruft den Kindern „Dreckige Juden!“ entgegen. Ihre Cousine Martha wird „nach Polen“ gebracht, wie ihre Familie erzählt.

Mit traurigem Blick fragt sie: „Ich kann nicht aufhören, mich zu fragen: Was wird Marta mit nicht einmal einem Koffer in Polen machen?“ Es folgen Hausdurchsuchungen durch die Nazis, die Eva heimlich filmt. „Die Mitarbeiter des Teufels waren auch bei uns“, kommentiert sie.

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Die Handlung hinter den Videos ist nicht etwa ausgedacht. Eva lebte wirklich.

„Ich wurde dreizehn – an einem Freitag, den dreizehnten wurde ich geboren“, heißt es in Eva Heymans Tagebuch, das am 13. Februar 1944 beginnt. An diesem Tag startet auch das Instagram-Projekt. In ihren Notizen beschreibt sie den Schrecken der 40er Jahre aus ihrer eigenen, traurigen Perspektive. Schon am 6. Juni 1944 wird Eva nach Auschwitz deportiert.

Das Tagebuch kam nach Kriegsende wieder in die Hände von Evas Mutter, die den Holocaust überlebte. Auf Deutsch erschien es unter dem Titel „Das rote Fahrrad“ im Nischen Verlag, Wien (2012).

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„Extrem wichtig, neue Modelle der Erinnerung zu finden“

Manche Kritiker empfinden das Projekt als zu oberflächlich, sogar als geschmacklos. Doch Regisseur Mati Kochavi hält in der „New York Times“ dagegen: „Die Erinnerung an den Holocaust verschwindet außerhalb Israels.“ Das Projekt ist gemeinsam mit seiner Tochter entstanden, die Eva spielt, und kostete mehrere Millionen Euro.

„Wir haben das Tagebuch gefunden und gesagt: ,Lasst uns davon ausgehen, dass Eva statt Stift und Papier ein Smartphone gehabt hätte und damit dokumentiert hätte, was mit ihr passierte’. Also brachten wir das Smartphone in das Jahr 1944“, so Kochavi.

Der Zeitung „Haaretz“ erklärte er, warum er Instagram als Medium für sein Projekt wählte: „Im digitalen Zeitalter, in dem die Aufmerksamkeitsspanne kurz und das Bedürfnis nach Nervenkitzel hoch ist, ist es extrem wichtig, neue Modelle der Zeugenaussagen und Erinnerung zu finden – auch angesichts der sinkenden Zahl von Holocaust-Überlebenden.“

Instagram sei eine Plattform, die Geschichten erzählt. Wie bei jedem anderen Medium auch, könne es eben oberflächliche, aber auch tiefgründige Geschichten erzählen. Zuvor war seine Vorgehensweise in Sozialen Medien als „trivialisierend“ oder „respektlos“ kritisiert worden.

Und es funktioniert: Am Donnerstagmorgen hatte Evas Instagram-Account schon mehr als 680 000 Abonnenten.

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