Politik

Warum Macron Weberals EU-Boss verhindern will

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Fünf Gründe, warum es für den deutschen Kandidaten immer enger wird

Wenn sich die Staats- und Regierungschefs heute zum Arbeitsessen treffen, geht es in drei Gängen um SEINE Zukunft: Europa-Politiker Manfred Weber (46, CSU) erhebt Anspruch auf den Top-Job in Brüssel, will Jean-Claude Juncker (64) als Kommissionspräsident beerben.

Die Personalfrage ist so delikat, dass nach Informationen von „Politico“ für die Dauer der Diskussion ein Handy-Verbot gelten soll – wie bei einem Konklave im Vatikan.

Delikat ist auch das Menü: Die Gesellschaft erwartet ein gemischter Salat mit Melone und getrockneten Feigen, Schweinefilet mit Spargel und Bohnen, sowie Erdbeeren mit Thymian und Zitronengras.

Webers Machtanspruch stützt sich auf das Votum durch 200 Millionen EU-Bürger: Zwar hat seine konservative Parteienfamilie, die Europäische Volkspartei (EVP), bei der Europawahl nicht triumphiert. Doch mit voraussichtlich 177 Sitzen (von 751) konnten die zweitplatzierten Sozialdemokraten (148 Sitze) unter dem Niederländer Frans Timmermans deutlich in Schach gehalten werden.

Die Crux an der Sache: Bei der Besetzung des Brüsseler Top-Jobs spielen nationale Machtansprüche und institutionelle Rivalitäten mehr als eine Nebenrolle. Und selbst die Grundvoraussetzung für Webers Erfolg – die Schaffung einer Parlamentsmehrheit – wird aufgrund der Stimmenverluste beider großen Lager schwieriger denn je.

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Und dann ist da noch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der dem Niederbayern schon seit Wochen in die Kampagne grätscht, Weber als EU-Boss verhindern möchte.

Für die Europawahl hat Macron sich mit den Liberalen verbündet (ALDE), die zusammen mit seiner Bewegung La République en Marche auf 111 Sitze kommen. Die Gruppe will der dänischen Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Europa-Krone aufsetzen – als erster Frau. Das Spitzenkandidaten-System, wonach der Wahlsieger auch Kommissionspräsident werden sollte, lehnen ALDE und Macron ab.

Allerdings ist Macron selbst einer der großen Verlierer der Europa-Wahl, nachdem die Rechtsextremistin Marine Le Pen an ihm vorbeigezogen ist.

Fünf Gründe sprechen dafür, dass Weber erst nach wochenlangem Hauen und Stechen Nachfolger von Juncker und damit Chef der 320 000-Mitarbeiter-Behörde werden kann – wenn überhaupt.

1. Merkel kam geschwächt nach Brüssel

Die Kanzlerin, die zeitweise unangefochten als DIE Führungspersönlichkeit Europas galt, hat durch ihren angekündigten Rückzug an Autorität eingebüßt. Zwar kündigt sie an, sich heute Abend „natürlich“ für Manfred Weber einzusetzen. Doch bietet das Wahlergebnis vom Sonntag (historische Tiefstwerte bei CDU und SPD) ihren Gegnern Angriffsfläche.

Seit Montagabend steht außerdem fest, dass die SPD auf einen neuen Machtkampf zusteuert, in deren Verlauf die GroKo platzen könnte.

2. Österreichs Kanzler Kurz fällt als Verbündeter aus

Ausgerechnet am Tag vor der Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs kam Weber der engste Verbündete abhanden: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz stürzte am Montag über ein Misstrauensvotum, nachdem seine Regierungskoalition mit der rechten FPÖ im Zuge der Ibiza-Affäre zerbrochen war.

Kurz hatte Weber immer als Ideal-Kandidat für einen Generationswechsel an der EU-Spitze bezeichnet, seinen Reformwillen und seine Bodenständigkeit gelobt.

Ein Stück weit trat dadurch in den Hintergrund, dass Ungarns Regierungschef Viktor Orbán nach seinem vorübergehenden Bann aus der EVP-Fraktion zuletzt zunehmend gegen Weber stichelte.

Ungarn, Polen, die Slowakei und Tschechien erwägen offenbar, einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken: Laut tschechischen Presseberichten haben sie sich auf den slowakischen Vize-Kommissionspräsidenten Maros Sefcovic geeinigt.

3. Macron wirbt geschickt um Verbündete

Macron wird seit Wochen nicht müde, seine Amtskollegen an ihr verbrieftes Mitspracherecht zu erinnern: Laut EU-Vertrag muss der Rat das Wahlergebnis zwar beachten, kann aber frei entscheiden. Und das lassen sich Politiker, wenn es um einen auf Jahre zukunftsweisenden Posten geht, in der Regel nicht zweimal sagen.

Zumal Weber – anders als Luxemburgs Ex-Premier Juncker – nicht aus ihrer Mitte stammt, keine Regierungserfahrung mitbringt. Getuschelt wird dann schon mal über die „fehlende Augenhöhe mit Trump und Putin“.

Zudem spricht Macron auch bei der Vergabe der übrigen Spitzenämter (Parlamentspräsident, Ratspräsident, der unabhängige EZB-Chef …) ein Wort mit. Am Montagabend traf er sich mit Spaniens Wahlsieger Pedro Sánchez. Doch der „schöne Pedro“, der ein Top-Amt für die „unterrepräsentierten“ Spanier will, legt sich im Machtpoker noch nicht fest, traf sich heute bilateral mit Merkel.

Der Hauptgrund, warum Macron so vehement gegen Weber argumentiert, dürfte in der Innenpolitik zu suchen sein: Die Popularitätswerte der EU sind in Frankreich im Keller. Ein Deutscher an der EU-Spitze könnte den europaskeptischen Rechts- und Linkspopulisten in Frankreich nutzen.

4. Die Parlamentsmehrheit wird kompliziert

EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber muss versuchen, eine parlamentarische Mehrheit zu schmieden. Das ginge mithilfe der Sozialdemokraten und der Grünen (67 Sitze).

Entsprechend offensichtlich hat die Charme-Offensive der Konservativen begonnen. Ein Insider zu BILD: „In Sachen Klimaschutz wird es bei der EVP viel Bewegung geben.“

Die Sozialdemokraten sperren sich, weil sie immer noch Chancen für ihren Spitzenkandidaten Frans Timmermans sehen, der bisher Junckers Stellvertreter ist: „Ich glaube, die Mehrheiten für ihn wachsen von Tag zu Tag“, sagte SPE-Fraktionschef Udo Bullmann.

Rechnerisch würde es für ein Dreierbündnis reichen, praktisch glauben viele Beobachter in Anbetracht des oft unberechenbaren Abstimmungsverhaltens: Auch die Liberalen müssten ins Boot der Pro-Europäer geholt werden, um den Kandidaten des Parlaments bei den Staatschefs durchzuboxen. Verhaken sich Fraktionen und EU-Institutionen, steht die Handlungsfähigkeit der EU auf dem Spiel. Juncker bliebe zunächst im Amt.

5. Im Hintergrund lauern „Kompromiss-Kandidaten“

Manche vergleichen den Machtpoker von Brüssel bereits mit einer Papstwahl – und weisen darauf hin, dass selten diejenigen gewählt werden, die früh ihre Machtansprüche deutlich machen.

Schon jetzt kursieren die Namen möglicher Kompromisskandidaten: Der liberale Niederländer Mark Rutte wird genannt (der allerdings die Eurowahl sensationell verlor). Auch der bisherige Brexit-Unterhändler Michel Barnier (EVP) hat seine Hoffnungen noch nicht ganz begraben, obwohl unwahrscheinlich ist, dass ihn das eigene Lager als Weber-Ersatz wählen würde.

Mehrfach gehandelt wurde auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, doch die hat einen Wechsel nach Brüssel mehrfach kategorisch ausgeschlossen.

Bei ihrem Eintreffen in Brüssel sagte Merkel, es gehe zunächst nur um einen „ersten Austausch“ in der Personalfrage. Der Vorschlag soll nach bisherigen Plänen beim regulären EU-Gipfel am 20. und 21. Juni erfolgen.

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