Politik

DAS sagt die Tochter,DAS sagt der Vater

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Sie schreibt, was die Älteren nicht begriffen haben. Er schreibt, was die jungen Leute lernen müssen

Steckt unser Land in der Generationenfalle?

► Millionen Schüler gehen weltweit auf die Straßen, warnen die Alten vor dem Klima-Weltuntergang – und die Alten beschweren sich bloß übers Schulschwänzen!

► Der Youtube-Blogger Rezo attackierte die Union – mit teils falschen Fakten – für ihre Klima-Politik (11 Mio. Zuschauer). Tags darauf riefen Rezo und 69 weitere You­tube-Stars zum Boykott von Union, SPD und AfD auf – die „Altparteien“ ignorieren die Netzaktivisten zunächst, die CDU blamiert sich mit einem verpatzten Gegenangriff.

► Die Quittung gab‘s am Wahlsonntag: Nur die Grünen (Durchschnittsalter der Mitglieder: 50) sahnten beim Jungvolk (unter 30 Jahre) spektakulär ab (33 Prozent). CDU? SPD? Um die 10 Prozent. Erstwähler wählten sogar lieber die Spaß-„Partei“ als die einst so jungen Sozis!

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„Das Abschneiden von Union, SPD und Grünen ist ein epochales Ereignis, ähnlich der 68er-Bewegung vor 50 Jahren“, warnt Harald Christ, Vize des SPD-Wirtschaftsforums. Der politische „Bruch zwischen Alt und Jung“ werde „die Bundesrepublik ähnlich verändern wie die 68er-Bewegung vor 50 Jahren!“

Die Jungen fühlen sich verraten, um „ihre“ Zukunft gebracht. Die Alten lächeln milde („So waren wir auch mal“) und sorgen sich insgeheim darum, wie „diese jungen Netz-Revoluzzer“ ihre Rente finanzieren sollen.

Hier sagen sich Vater und Tochter, beide BILD-Journalisten, als Vertreter der Generationen ihre Meinung…

Was die älteren bis heute nicht begriffen haben

VON NELE WÜRZBACH

Wer nicht hören will, muss fühlen! Haben das die Volksparteien bei der Europawahl gelernt? Jahrelang haben sie uns, die jungen Wähler, belächelt, zugehört hat nie jemand. Wie kann man denn heute einen Wahlkampf führen, bei dem das Thema Klima kaum eine Rolle spielt?

„Nach uns die Sintflut“ wäre wenigstens mal ein ehrlicher Wahlspruch von CDU oder SPD gewesen. 34 % für die Grünen bei Wählern zwischen 18 und 24 Jahren – das zeigt: Uns ist die Umwelt echt wichtig. Weil wir gerne noch 50 bis 60 Jahre auf der Erde leben würden und auch unsere Kinder noch was von ihr haben sollen.

Möglich, dass der Klimawandel nicht schon in 20 oder 30 Jahren unsere Lebensgrundlage zerstört hat. Das dürfte in etwa der Rest-Lebenserwartung der aktuell regierenden Politiker entsprechen. Aber wie kann es ihnen so egal sein, was sie ihren Kindern und Enkelkindern hinterlassen?

Kinder schwänzen die Schule, um sich für das Klima („Fridays for Future“) einzusetzen. Ich bin froh, dass sie es tun. Wenn nicht wir uns für die Umwelt einsetzen, in unserem wohlhabenden Land, wer denn dann? Wir müssen Vorbild sein, können nicht auf Nigeria oder Pakistan zeigen, die auch zu wenig gegen Umweltzerstörung tun.

Was die Etablierten in der Politik bis heute nicht begriffen haben: Digitale Infrastruktur ist kein Teufelszeug. Wir brauchen heute kein Fernsehen mehr. Aber schnelles Internet. Es ist absurd, dass ich in Asien selbst im Dschungel besseren Empfang als in weiten Teilen der deutschen Provinz habe.

Wir sind ein digitales Entwicklungsland. Ich glaube, das ist unserer Regierung noch nicht aufgefallen. Kurzer Weckruf: Ja, das Internet bleibt! Für immer. Und nein, da geht es nicht nur um Katzenvideos und Justin Bieber. Sondern auch um Politik.

Die Wahlbeteiligung war am Sonntag viel höher als 2014. Auch weil sich Menschen unter 30 wieder mehr für Politik interessieren. Nicht zuletzt dank Social Media. Der Einfluss der Influencer wird bei den Älteren massiv unterschätzt.

Wochenlang war mein Instagram-Feed voll mit Wahlwerbung, aber nicht von Parteien, sondern von jungen Menschen, die ihre starke Stimme nutzen. Einer war der YouTuber Rezo.

Wann begreifen Politiker, dass man darauf nicht mit einer 11-seitigen PDF-Datei antworten kann? Wahrscheinlich haben die erst mal im Brockhaus nachgeschlagen, ob da was über diesen Rezo steht. Die Antwort ist nein.

Die Social-Media-Stars in künftigen Wahlkämpfen zu unterschätzen, ist gefährlich. Noch gefährlicher ist nur, sie einschüchtern zu wollen, wie es CDU-Parteichefin Kramp-Karrenbauer (gewollt oder ungewollt) getan hat.

Vielleicht begreifen die Etablierten mal, dass es cooler wäre, die Flut von sinnfreien Wahlplakaten endlich zu stoppen, schon den Bäumen zuliebe. Wir wählen keine Gesichter, wir wählen Taten.

Was die jungen Leute noch lernen müssen

VON RALPH GROSSE-BLEY

In den Augen der jungen Leute stamme ich aus der Steinzeit. Als Journalist habe ich vor etwa 40 Jahren die Einführung des Faxgerätes in der Redaktion als digitale Weltrevolution gefeiert. Mehr geht doch gar nicht!

Ich bin heute, mit Ende 50, weder bei Facebook noch bei Instagram, ich twittere nicht. Mit meinem Handy mache ich vor allem eines – telefonieren.

Ich bin deshalb noch lange kein Vollhorst, liebe digitale Weltretter! Es ist o.k. für mich, dass in der Generation U25 heute kaum noch einer CDU oder SPD wählt. Soll jeder machen, wie er (oder sie) will. Mir geht aber dieses Überlegenheits-Gehabe auf den Zeiger: Wir jungen Leute haben es verstanden und ihr Alten nicht! Diese schier unerträgliche Arroganz der Ohnmacht.

Ich meine die Hipster, die mal schnell den Klimawandel stoppen wollen, aber in Vierer-Reihen bei Fast-Food-Buden anstehen, um sich schnell einen Rindfleisch-Burger oder Chicken Nuggets für zwei Euro reinzuziehen. Bloß nicht unnötig Geld ausgeben!

Dabei weiß heute jeder nicht komplett Verblödete, dass diese Mini-Preise nur durch Massentierhaltung möglich sind. Und dass Massentierhaltung die Erde extrem belastet: Treibhausgase, Überdüngung, Regenwaldrodung.

Liebe Weltretter, ich esse seit einiger Zeit kein Fleisch mehr. Schon deshalb, weil ich weiß, wie grauenhaft Rinder, Hühner, Schweine in Tierfabriken gequält werden.

Ich kann mich auch nicht mit jungen Leuten freuen, die für 19,99 Euro mal eben nach Malle jetten. Am besten gleich fünfmal im Jahr, weil es so billig ist. Die Umwelt? Die Flugzeuge fliegen doch sowieso, oder?

Und dann lachen sich die jungen Weltretter kaputt, dass bei der Europawahl „Die Partei“ so erfolgreich war. In Berlin war dieser Nonsens-Verein bei Erstwählern genauso erfolgreich wie die SPD. Das sagt viel aus über den Zustand der SPD und die Zustände in Berlin, wo nur jeder Zweite von seiner Arbeit lebt.

Aber ganz ehrlich, liebe U25: Politik soll auch Spaß machen, ja. Aber Politik ist keine Comedy. Politik ist einfach Arbeit. Im besten Fall harte, ehrliche Arbeit.

Apropos Arbeit. Was die Digital Natives lernen sollten: In unserer Gesellschaft müssen nicht alle Abitur machen und 80 Prozent studieren. Die Unis laufen über: Juristen, die die Welt nicht braucht, Politologen, Slawisten. Aber wer in unserem Land einen Handwerker braucht, ist angeschmiert. Wer will denn heute noch Maler, Klempner, Fliesenleger werden? Und Bäcker? Die Doofen? Oder die ganz Doofen? Eine katastrophale Einstellung.

Richtig ist: Wir brauchen Ideen, auch Kritik. Aber nicht nur von rhetorisch geschickten Kritikern und Youtubern. Geil wären Leute, die mitarbeiten wollen. ­Real, nicht virtuell.

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