Politik

Umfrage-Rausch oder neue Realität?

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Experte: „Die Grünen sind zuweilen eine Ersatz-Partei für die Sozialdemokratie geworden“

Schon in der zweiten Umfrage liegen die Grünen VOR der Union! Und jetzt liegt sogar die AfD vor der SPD!

Diese Werte sorgen für Freude bei den einen, für Entsetzen und Sorgenfalten bei den anderen.

Die harten Fakten: Im aktuellen ARD-„Deutschlandtrend“ kommen die Grünen auf 26 Prozent – liegen damit vor der Union, die auf 25 Prozent kommt. Die SPD geht nach ihrer Europawahl-Pleite und dem Rücktritt von Parteichefin Andrea Nahles auf Talfahrt, ihr Wert sinkt um sechs Prozentpunkte auf zwölf Prozent – ihr Tiefstwert im „Deutschlandtrend“. Die AfD klettert um einen Prozentpunkt auf 13 Prozent – zieht damit an den Sozialdemokraten vorbei.

Doch was hat das alles zu bedeuten? Muss die Union sich jetzt dauerhaft auf einen Platz hinter den Grünen einstellen? Ist die SPD-Talfahrt zunehmend in Stein gemeißelt?

BILD hat die Situation mit Experten analysiert.

  • Neuer Umfrage-Hammer

    Grüne vor Union, AfD vor SPD!

    Im neuen ARD-„DeutschlandTrend“ sind die Grünen stärkste Kraft. Herbe Verluste gibt es hingegen für Union und besonders für die SPD.

Wie kann es zu so extremen Veränderungen in Umfragen kommen?

✭ Politikwissenschaftler Jürgen Falter erklärt gegenüber BILD: „Derartige Veränderungen sind in der Tat selten, aber sie treten durchaus immer wieder einmal auf. Die Grünen lagen schon einmal in ähnlichen Höhen, um sich dann wieder auf Normalmaß einzupendeln.“

Letztlich sei dies ein Zeichen dafür, dass langfristige Wählerbindungen nur noch eine geringere Rolle spielen.

Wie haben die Grünen das geschafft?

Tatsächlich gibt es mehrere Faktoren, die den aktuellen Erfolg der Grünen erklären. Falter zu BILD: „Richtig machen die Grünen, dass sie ungewohnter Weise mit einer Stimme sprechen, dass sie ein Führungsduo hat, das sowohl per Sympathie bei den Wählern ankommt, als auch sich weitgehend einig ist. Und am meisten profitieren die Grünen natürlich von der Schwäche der anderen. Ihr zentrales Thema, die Klimapolitik, ist im Augenblick im Schwange, nicht zuletzt befördert auch durch die ‚Friday for Future‘-Bewegung.“

Politikwissenschaftler Hajo Funke sieht vor allem einen „drastischen Kompetenzverlust“ bei SPD und Union als einen der Gründe für den Erfolg der Grünen: „Und das vor allem beim gegenwärtig öffentlichen Kernthema – und dem Kernthema der Grünen – nämlich beim Thema Klima.“ Insgesamt steige die generelle politische Kompetenz, die den Grünen zugemessen werde.

Was könnte den Grünen-Hype stoppen?

„Die größten Risiken für die Grünen sind einerseits ein Wiederaufleben der alten innerparteilichen Konflikte zwischen Realos und Fundis und andererseits noch mehr Koalitionsaussagen wie in Bremen“, sagt Falter.

Außerdem wichtig: „Das Wählerverhalten – besonders der jungen – ist sehr volatil.“

Hinzu komme, dass internationale Spannungen oder Einbrüche in der Ökonomie die Klimafrage gegebenenfalls zeitweise leicht in den Hintergrund rücken lassen könnten. Aber: Klima bleibe weiter ein entscheidendes Thema! Und das spreche für die Grünen!

Ist die SPD jetzt abgeschrieben?

Für eine derartige Schlussfolgerung ist es sicherlich viel zu früh. Auch wenn die aktuellen Werte für die SPD eine Blamage sind, ist sich Falter sicher: „Das wird es noch nicht gewesen sein. Die SPD ist immer noch eine Partei mit fast einer halben Million Mitglieder, sie hat ein deutlich größeres Reservoir an möglichen Führungspersonal, sie ist in der Fläche, vor allem in den Kommunen und in manchen Ländern, stark verankert. Es ist viel zu früh, das Totenglöcklein für sie zu läuten.“

Aber letztlich hängt es von der SPD ab, ob sie es schafft, sich neu zu erfinden, ob sie es schafft, die Antworten für die Arbeitsgesellschaft des 21. Jahrhunderts zu formulieren. Falter gibt dabei zu bedenken: „Die Grünen werden immer die besseren Grünen sein als die SPD, sei es in der Klimapolitik, sei es in der Genderpolitik oder der Migrationspolitik.“

Für Falter zeigt der Erfolg der Sozialdemokraten in Dänemark ein mögliches Zukunftsmodell für die SPD: „Sozial nach innen, kritischer gegenüber unkoordinierter Einwanderung.“

„Die AfD mag vor der SPD liegen – aber nicht, weil ihre eigenen Werte zunehmen – sondern die der SPD extrem abgenommen haben“, stellt Funke fest.

In der Tat konnte die AfD in den vergangenen Wochen nicht zulegen, ist von den eigenen Höchstwerten aktuell weit entfernt.

Die Werte der SPD seien vor allem Folge eines „zerrüttenden Führungsverhaltens“, sagt Funke, der gleichzeitig auf das sozialdemokratische Potenzial verweist. Das sei grundsätzlich gesehen erheblich höher als die aktuellen Umfragen.

Allerdings: „Aktuell ist es zum Teil von den Grünen besetzt – die Grünen sind zuweilen eine Ersatz-Partei für die Sozialdemokratie geworden“, so sein Resümee.

Wird der Trend bald zum Dauer-Zustand?

Das liege nicht nur in der Hand der Grünen, erklärt Falter: „Ob das von anhaltender Dauer ist oder nur einen kurzfristigen Trend darstellt, hängt unter anderem vom Verhalten der anderen Parteien ab, vor allem davon, ob die SPD wieder auf die Beine kommt. Und das ist abhängig einmal vom neuen Spitzenpersonal (nicht das des Übergangs) und der Frage, wohin die SPD sich entwickelt.“

In der Vergangenheit hatte die SPD selbst noch einen kurzzeitigen Hype erlebt – nämlich als Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten gekürt wurde: „Das kann genauso schnell auch wieder vergehen, etwa wenn die Grünen nur nach links schielen und wie in Bremen Koalitionen eingehen, die den größten Teil ihrer aus dem bürgerlichen Lager stammenden Zuwanderer verschrecken dürften“, prognostiziert Falter.

Funke glaubt nicht, dass sich der Grünen-Hype so schnell verflüchtigen wird: „Dafür ist das Führungspotenzial und die geschlossene Präsenz der Grünen zu stark. Letztlich sind die Grünen aktuell eine Stabilitätsversicherung für die Demokratie und Menschenwürde, diese Werte werden von den Grünen aktiv vertreten.“

Fazit: Die Umfragen sind zwar eine Momentaufnahme, aber zeigen einen generellen Trend. Die Grünen sind für immer mehr Menschen die Partei der Zukunft und erreichen immer höhere Kompetenzwerte. Und das Thema Klima wird dauerhaft eine besondere Stellung einnehmen – das spricht für die Grünen. Letztlich liegt es an den anderen Parteien ihre eigenen Antworten auf die akuten Fragen unserer Zeit zu finden – und die entsprechend glaubhaft und sympathisch zu verkaufen. Denn in dieser Hinsicht sind die Grünen aktuell nur schwer zu schlagen …

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