Politik

Plötzlich EU-Boss?

0

Sie wurde schon als Merkel-Nachfolgerin gehandelt, dann kam der Karriere-Knick ++ Ständig Ärger mit Bundeswehr-Affären ++ Jetzt soll sie EU-Chefin werden

Schon vor Jahren war Ursula von der Leyen (60, CDU) für einen Spitzenjob in Brüssel gehandelt worden. Doch dann schien der Stern der langjährigen Bundesverteidigungsministerin zu sinken.

Jetzt hat sich das Blatt gewendet! Angesichts der festgefahrenen Personaldebatte beim Brüsseler EU-Gipfel wurde von der Leyen überraschend als die Nachfolgerin von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgeschlagen. Die offizielle Nominierung erfolgte am Dienstagabend um 19.03 Uhr.

Plötzlich EU-Boss? Es wäre ein deutlicher Aufstieg für die deutsche Verteidigungsministerin.

ALLERDINGS: Das europäische Parlament muss dem Vorschlag des europäischen Rates noch zustimmen. Das ist noch nicht in trockenen Tüchern – das Parlament wollte eigentlich nur einen Kandidaten akzeptieren, der auch als Spitzenkandidat für die Europawahl angetreten ist.

Sie kennt den Brüsseler Politikbetrieb

Von der Leyen ist seit Ende 2013 Bundesverteidigungsministerin, sie ist die erste Frau in diesem Amt. Als Ministerin nimmt die ausgebildete Ärztin regelmäßig an den Treffen mit ihren EU- und Nato-Kollegen teil – sie kennt also den Brüsseler Politikbetrieb.

Auf europäischer Ebene setzt sich von der Leyen für eine EU-Verteidigungsunion ein, die komplementär zur Nato ist. Die Stärkung der europäischen Verteidigungspolitik ist auch eines der zentralen europäischen Reformprojekte von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

  • Entscheidung gefallen

    Amtlich: Von der Leyen soll neue EU-Chefin werden

    Paukenschlag beim EU-Gipfel: Im Postenpoker hat Ratspräsident Tusk Verteidigungsministerin von der Leyen als neue EU-Chefin nominiert.

Aus französischen Regierungskreisen hieß es am Dienstag, es sei auch Macron gewesen, der von der Leyen im Brüsseler Personalpoker ins Spiel gebracht habe. Er hatte sie erst im Juni bei der Luftfahrtschau in Le Bourget getroffen, wo beide den Prototyp für das neue deutsch-französische Kampfflugzeug enthüllten.

Von der Leyen wuchs in Brüssel auf

Ursula von der Leyen spricht fließend Englisch und Französisch, was für einen EU-Posten ein Plus ist. Die Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht ist in Brüssel geboren und dort auch in den ersten Jahren bis 1971 zur Schule gegangen.

Ihre politische Karriere ging die Mutter von sieben Kindern zielstrebig an. Sie ist seit 1990 CDU-Mitglied. 2003 wurde sie in Niedersachsen Ministerin für Frauen, Familie und Gesundheit und gehört seit 2004 dem Präsidium der CDU an. 2005 schaffte sie den Sprung in die Bundespolitik und wurde Bundesfamilienministerin, 2009 übernahm sie das Arbeitsministerium, vier Jahre später das Verteidigungsministerium.

Von der Leyen galt zwischenzeitlich auch als mögliche Nachfolgerin von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Doch ihr fehlt eine wirkliche Hausmacht in der Partei. Und einigen in der CDU war ihr Ehrgeiz immer suspekt.

Turbulenzen gab es um Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit. Die Medizinische Hochschule Hannover entschied aber 2016, dass sie trotz „klarer Mängel“ beim Zitieren den Titel behalten darf.

Die Berateraffäre in der Bundeswehr

In schweres Fahrwasser geriet von der Leyen wegen ihres Vorgehens zu rechtsextremen Tendenzen in der Bundeswehr. Als aufflog, dass sich ein Oberleutnant monatelang als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte und offenbar mit Komplizen einen rechtsradikal motivierten Anschlag plante, wirkte ihr Agieren unglücklich.

Dass sie der Truppe in einer ersten Reaktion ein „Haltungsproblem“ vorgeworfen hatte, wurde ihr als Pauschalkritik in der Bundeswehr übel genommen. Hinzu kamen Hinweise, dass schon seit Jahren Andeutungen auf eine rechtsextreme Gesinnung des Offiziers vorlagen, ohne dass Konsequenzen folgten.

Zuletzt geriet die Ministerin mit der Affäre um die Kostenexplosion bei der Sanierung des Segelschulschiffs „Gorch Fock“ in Bedrängnis. Sie brachte von der Leyen den Vorwurf fehlender Kontrolle ein und aus der Opposition auch Rücktrittsforderungen.

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück nimmt seit Juni bei den Ermittlungen zur überteuerten Sanierung der „Gorch Fock“ auch die Arbeit des Verteidigungsministeriums in den Blick. Dazu seien Unterlagen an die Staatsanwaltschaft Berlin weitergeleitet worden, sagte der Sprecher der Behörde. Es solle geprüft werden, ob sich ein Anfangsverdacht der Untreue gegen Mitarbeiter des Ministeriums ergibt.

Unter Beschuss im Untersuchungsausschuss

Auch wegen Rüstungsprojekten, vielfältiger Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr und einer Affäre um externe Ministeriumsberater geriet von der Leyens Behörde immer wieder in die Kritik.

Berater haben unter ihrer Führung einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet. Grüne, Linke und FDP fordern in dem Untersuchungsausschuss, der im März die Arbeit aufgenommen hat, Aufklärung darüber, wer bei der Vergabe von Beraterverträgen Kontrolle ausgeübt hat, ob Schaden für die Steuerzahler entstanden ist und wie Regelverstöße in Zukunft verhindert werden können. Zudem geht es um sogenannte Kennverhältnisse, also einen Verdacht auf Vetternwirtschaft, aber auch um die grundsätzliche Klärung der Wirtschaftlichkeit.

Dass von der Leyen trotz all dieser Turbulenzen im Amt blieb, zeigt ihre politische Zähigkeit. In Brüssel könnte sie die gut brauchen. Und sie wäre auch in Berlin aus der Schusslinie, wenn es bei den Ermittlungen um die „Gorch Fock“ und in der Berateraffäre noch ungemütlicher werden sollte.

Vodafone zu 100 000 Euro Bußgeld verdonnert

Previous article

„Sea-Watch“-Kapitäninkommt frei

Next article

You may also like

Comments

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Politik