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ISIS-Chef al-Bagdadidroht mit neuen Anschlägen

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Sein vor knapp fünf Jahren ausgerufenes „Kalifat“ ist am Ende. Seine Islamisten-Kämpfer verstecken sich. Nun meldet sich ISIS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi zurück. Der Online-Propaganda-Kanal „al-Furqan“ der Terrormiliz veröffentlichte seine 18 Minuten lange Videobotschaft.

Es ist eine höchst seltene Aufnahme des Terroristen, der schon häufig totgesagt wurde, angeblich bei Angriffen auf ISIS getötet. Die letzte Aufnahme von al-Bagdadi stammt aus dem Juni 2014, aufgenommen in der Al-Nuri-Moschee in Mossul.

Das neue Video ist erst der zweite Auftritt des ISIS-Anführers, in dem er sein Gesicht zeigt. Al-Bagdadi sitzt auf dem Boden, neben sich in klassischer Dschihadistenpose ein Kalaschnikow-Sturmgewehr (Typ AKS 74U). Auch der frühere Al-Qaida-Chef Osama bin Laden inszenierte sich gern auf diese Art.

Der Bart erscheint rötlich gefärbt – in der islamischen Überlieferung war dies Brauch vor allem vor Kämpfen. Wie bei seinem Auftritt im Juli 2014 in Mossul, als er als „Kalif“ vor die Kamera trat, trägt al-Bagdadi einen schwarzen Turban, der ihn als Nachfahren des Propheten Mohammed ausweisen soll.

Das Gesicht des selbsternannten „Kalifen“ wirkt weniger abgemagert, als mancher spekuliert hat. Allerdings sind seine Hände auffallend weiß; möglicherweise hat der ISIS-Anführer aus Angst vor gezielten Drohnenangriffen nur selten das Sonnenlicht gesehen.

Was zeigt das Propaganda-Video?

Am Ende erwähnt der ISIS-Anführer in einer eingespielten Audiobotschaft die Anschlagsserie in Sri Lanka (Ostersonntag, 253 Tote) und deutet diese als „Rache“ für Baghuz – die Kleinstadt an der syrisch-irakischen Grenze war monatelang der letzte Rückzugsort für ISIS und Anfang April Schauplatz schwerer Gefechte. Al-Bagdadi spricht dabei von einem „langen Kampf des Islam gegen die Kreuzfahrer“ – also gegen Christen.

Auch die Anschläge in Saudi-Arabien werden von Bagdadi erwähnt – allerdings ebenfalls nur in einer eingespielten Audiobotschaft.

▶︎ Bedeutet: Das Video wurde also vermutlich vor all diesen Anschlägen aufgenommen; wie es zu datieren ist, bleibt somit unklar.

Drohung mit neuen Anschlägen

Im Bild sind also nur Sequenzen zu sehen, die keinen konkreten Zeitbezug haben: In einer Unterhaltung mit einigen Vermummten, die mutmaßlich ebenfalls zur Führungsriege der Terrororganisation gehören, nimmt al-Bagdadi die Treueeide von Dschihadisten in Mali, Burkina Faso und Afghanistan an. Insbesondere Abu Walid al-Sahrawi, der ISIS-Kommandeur in der Sahara-Region, wird vom ISIS-Chef für seine Terrorangriffe gelobt.

Al-Bagdadi sagt, dass seine Terrorgruppe nicht aufgeben werde. Die „Brüder unserer gefallenen Kämpfer werden Rache nehmen – so lange sie noch Blut in den Adern haben“. Es werde ganz sicher „einen neuen Kampf geben“, kündigte al-Bagdadi an. Er droht also mit neuen Anschlägen.

Schließlich lässt Bagdadi sich von einem seiner Vertrauten verschiedene Hefter geben, die offenbar Berichte der verschiedenen „Wilaya“ – Regionen – enthalten. Der Terrorfürst nickt diese jeweils ab, bevor er sie einem weiteren Vertrauten reicht. Die Inszenierung für die Kamera wirkt vor allem in diesem Moment recht dilettantisch.

ISIS hatte seit dem Auftritt von 2014 in unregelmäßigen Abständen Audiobotschaften veröffentlicht, die von al-Bagdadi stammen sollen – meist über den Propaganda-Kanal „al-Furqan“. Mehrmals wurde der Anführer für tot erklärt, mindestens einmal wurde er verletzt.

Wo der Terrorist heute steckt, ist völlig unklar. Er scheint seinen Standort ständig zu wechseln; obwohl die USA auf seine Festnahme 25 Millionen Dollar (umgerechnet rund 22,3 Millionen Euro) ausgesetzt haben, war die Suche nach ihm bislang erfolglos.

„Er ist nur von drei Menschen umgeben: Seinem älteren Bruder Dschumua, seinem Fahrer und Leibwächter Abdellatif al-Dschuburi, den er seit seiner Kindheit kennt, und von seinem Kurier Saud al-Kurdi“, behauptet der Dschihadismus-Experte Hischam al-Haschemi.

Wer ist al-Bagdadi?

Geboren wurde al-Bagdadi 1971 als Sohn einer armen Familie im zentralirakischen Samarra unter dem Namen Ibrahim Awad al-Badri. Als Junge begeisterte er sich für Fußball und träumte davon, Anwalt oder Soldat zu werden, doch seine mangelhaften Noten und seine schlechten Augen verhinderten beides.

So studierte er in Bagdad Theologie, bevor er nach der US-Invasion 2003 als Anführer einer Dschihadistengruppe in den Untergrund ging.

Die Journalistin Sofia Amara, die einen Dokumentarfilm über ihn gedreht hat, sagt, al-Bagdadi mache nicht den Eindruck eines „brillanten Mannes“, sondern erscheine eher als „geduldig und arbeitsam“. Doch habe der „geheime Planer“ schon früh „eine sehr klare Vorstellung“ von der Organisation gehabt, die er schaffen wollte. Als er 2004 im Februar von den Amerikanern im Gefängnis von Bucca inhaftiert wurde, knüpfte er dafür wichtige Kontakte.

Im Dezember 2004 kam der Terrorist aus Mangel an Beweisen frei und schloss sich dem Al-Qaida-Führer Abu Mussab al-Sarkawi an. Als erst al-Sarkawi und dann sein Nachfolger getötet wurden, übernahm der einstige Theologiestudent aus Samarra 2010 unter dem Namen Abu Bakr al-Bagdadi die Führung der Extremisten im Irak.

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