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Gehen Sie auch zumVulven-Malen, Herr Bischof?

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Zwischen Gender-Gaga und Gott-Partei!

Vor dem Evangelischen Kirchentag am Mittwoch sprach BILD mit EKD-Chef Bischof Heinrich Bedford-Strohm, ob er auch zum Workshop „Vulven Malen“ geht, ob Greta eine Heilige ist und warum er Seenotretter im Mittelmeer unterstützt.

BILD: Herr Bischof, besuchen Sie auf dem Evangelischen Kirchentag auch den Workshop „Vulven malen“?

Heinrich Bedford-Strohm: „Nein. Was ist das?“

Frauen malen ihre Geschlechtsteile, um Scham zu verlieren und freier mit ihrem Geschlecht umzugehen …

Bedford-Strohm: (lacht) „Ich glaube, das wendet sich nicht an mich.“

Auf dem Programm stehen auch Veranstaltungen wie „Lesbische Singles über 40“,„Schritte zu einer trans*inklusiven Gemeinde und „Deutschland – Paradies für LSBTTQ-Geflüchtete“. Ist keine Minderheit klein genug, um auf dem Kirchentag ein Podium zu erhalten?

Bedford-Strohm: „Der Kirchentag hat schon immer den ganzen Pluralismus unserer Kirche abgebildet. Die zentralen Veranstaltungen spiegeln die großen Themen unserer Zeit wider. Deswegen werden auch Kanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier oder Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann dabei sein. Der Kirchentag ist eine evangelische Zeitansage.“

Wie passt das zusammen damit, dass Kirchentagspräsident Hans Leyendecker der AfD kein Podium geben will, obwohl Populismus ja nun wirklich weltweit ein großes Thema ist? Haben Christen Angst vor der AfD?

Bedford-Strohm: „Ganz sicher nicht. Die Entscheidung des Kirchentagspräsidiums ist gefallen kurz nach den Ereignissen in Chemnitz, die eine deutliche Radikalisierung der AfD zeigten. Radikale, deren Werte mit denen des Christentums nicht vereinbar sind, sollten, so habe ich den Sinn dieses Beschlusses verstanden, auf dem Kirchentag kein Podium bekommen.“

Wäre es nicht dennoch wichtig, sich mit einer Partei auseinanderzusetzen, die in einigen Bundesländern sogar stärkste Kraft werden könnte? Hätte Jesus politische Gegner ausgeladen?

Bedford-Strohm: „Der Dialog soll, wird und muss stattfinden. Der Kirchentag wird die Sorgen und Meinungen der Menschen aufnehmen, auch derjenigen, die der AfD nahestehen. Sie sind nach Dortmund eingeladen. Der Beschluss richtet sich gegen Funktionäre der AfD, die nicht auf Podien sitzen sollen.“

Wollen Sie AfD-Funktionäre aus der evangelischen Kirche ausschließen?

Bedford-Strohm: „Man muss da unterscheiden. Es gibt in der AfD Leute, die rechtsextreme Positionen vertreten, die vieles kaputt zu machen versuchen, was in diesem Land aufgebaut wurde. Zum Beispiel unsere Erinnerungskultur, mit der wir auf die dunklen Seiten unserer Geschichte blicken. Diese Erinnerungskultur ist ein Zeichen von Souveränität und Stärke und nicht von Schwäche. Wenn jemand sagt: Ich bin zuerst Deutscher und dann Christ, dann ist das Ketzerei! Solche Auffassungen haben keinen Platz auf unseren Podien. Mit Menschen, die AfD aus Protest wählen oder sich mit konservativen Positionen in anderen Parteien nicht mehr zu Hause fühlen, muss man im Gespräch bleiben. Ganz klar. Die Grenzen des Dialogs sind erreicht, wo sich jemand menschenverachtend oder rassistisch äußert.“

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Über weite Strecken klingt das Programm aber auch wie eine Parteitagsagenda: „Wirtschaft, Demokratie, Eigentum“, „Zivilgesellschaft, Arbeit, Sozialstaat“… Ist das noch Kirche oder schon Gott-Partei?

Bedford-Strohm: „Zunächst mal finden Sie im Kirchentagsprogramm Gottesdienste, Andachten, Gebete, geistliche Chorkonzerte und Veranstaltungen, die sich mit der Zukunft von Glaube und Kirche beschäftigen. Das ist die Basis. Aber wer fromm ist und auf das Evangelium hört, der kann auch um die Politik keinen Bogen machen. Jesus hat Gottesliebe und Nächstenliebe untrennbar miteinander verbunden. Mit der Botschaft Jesu Christi ist deswegen immer auch der Aufruf dazu verbunden, Not zu lindern und Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Was nicht sein darf: dass bestimmte politische Programme einen Heiligenschein bekommen. Das will aber auch niemand.“

Wirklich? Berlins katholischer Bischof Heiner Koch hat die Klima-Aktivistin Greta Thunberg schon mit Jesus und seinem Einzug in Jerusalem verglichen …

Bedford-Strohm: „Greta ist keine Heilige, sondern ein Mensch, der sich Gedanken macht über die Zukunft, wie es übrigens viele schon immer in den christlichen Kirchen tun. Wer glaubt, dass die Welt Gottes Schöpfung ist, der kann nicht einfach zusehen, wie Menschen sie zerstören. Greta Thunberg hat da einen wichtigen Beitrag geleistet, um das Thema in die öffentliche Debatte zu bringen.“

Müssen fromme Christen also grün wählen?

Bedford-Strohm: „Keine Partei bekommt einen Heiligenschein. Deshalb ist es gut, dass wir auf allen Ebenen unserer Kirche und in ihren Ämtern Vertreter ganz unterschiedlicher Parteien haben.“

Sie haben sich sehr stark für die sogenannte Seenot-Rettung im Mittelmeer engagiert. Warum blenden Sie gezielt aus, dass damit weitere Menschen ermuntert werden, sich auf den oft tödlichen Weg zu begeben, ohne am Ende Chancen auf Asyl haben?

Bedford-Strohm: „Es gibt aber keinen Sog-Effekt. Mittlerweile dürfen die Retter kaum noch helfen. Die EU-Mission Sophia ist eingestellt. Und dennoch haben fast 3000 Menschen in den letzten 18 Monaten ihr Leben im Mittelmeer verloren. Menschen ertrinken zu lassen, kann keine migrationspolitische Lösung sein. Niemand käme auf die Idee, einen Unfallfahrer, der unangeschnallt an einen Baum gefahren ist, zur allgemeinen Verkehrserziehung verbluten zu lassen. Und wenn Menschen, die Ertrinkende aus dem Mittelmeer retten, dafür auch noch kriminalisiert werden, dann ist das eine Schande – nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa!“

Ihr Beispiel ist nicht ganz treffend: Es würde ja niemand extra an einen Baum fahren, um gerettet zu werden, so wie sich Migranten von Anfang an mit völlig untauglichen, zigfach überladenen Booten auf den Weg machen, um nach der Rettung Europa zur Aufnahme zu zwingen.

Bedford-Strohm: „Die Menschen auf den Booten kommen aus Lagern in Libyen, in denen grausamste Zustände herrschen, sie sind Zwangsprostitution, Folter und Sklavenarbeit ausgesetzt, um sich das Geld für die Überfahrt zu verdienen. Von den verbrecherischen Schlepperbanden werden sie dann in diese Boote gesetzt. Wenn man diese Menschen wieder der sogenannten libyschen Küstenwache übergibt, beginnt dieses Martyrium von neuem. Das kann keine Lösung sein.“

Nach dieser Logik sind es die libyschen Schlepper und Menschenschinder, die uns im Grunde moralisch zum direkten Abholen der Menschen in Libyen zwingen?

Bedford-Strohm: „Die Frage, welche legalen Flucht- und Asylwege es geben muss, steht in der Tat auf der Tagesordnung. Es kann nicht sein, dass man ein Asylverfahren nur bekommt, wenn man sich zuvor auf dem Weg nach Europa in Lebensgefahr gebracht hat. Wir brauchen einen Verteilmechanismus, der gerettete Menschen in verschiedenen Ländern Europas in Sicherheit bringt. Viele Städte Europas haben ihre Bereitschaft, sie aufzunehmen, bereits erklärt.“

Zum Schluss: In der katholischen Kirche wird über Zölibat-Abschaffung, Frauenpriestertum etc. diskutiert. Haben Sie Angst, dass Sie bald von einer zweiten evangelischen Kirche Konkurrenz bekommen?

Bedford-Strohm: (lacht) „Die katholische Kirche muss genauso evangelisch werden, wie die evangelische Kirche katholisch werden muss. Denn evangelisch heißt, sich am Evangelium zu orientieren, und katholisch bedeutet die eine und universale Kirche. Dass beide Kirchen getrennt sind, ist ein Zustand, den wir auf Dauer nicht hinnehmen können und wollen. Es gibt keinen katholischen oder evangelischen Christus. Insofern freue ich mich, wenn wir Trennendes überwinden, in der Zukunft auch gemeinsam Abendmahl feiern und die eine Kirche Jesu Christi sein können, die er uns aufgetragen hat.“

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