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EU rüstet sich gegen totalen Brexit-Crash

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Neue Notfallpläne für Finanzmarkt, Transport, Visa-Regeln vorgestellt

Keine Übergangsfrist, keine Übergangsregeln. Zollchaos, Bankenchaos, mögliches Grenzchaos zwischen Irland und Nordirland. Dieses Horror-Szenario gilt 100 Tage vor dem EU-Austritt Großbritanniens am 29. März plötzlich als realistisch.

Einen Tag nachdem die britische Regierung in London u.a. 3500 Soldaten mobilisiert hat, um für den Fall eines Chaos-Brexit auf „alle Eventualitäten“ vorbereitet zu sein, hat auch die EU-Seite ihre Notfallpläne vorgestellt.

Sie seien notwendig, um „den schlimmsten Schaden eines ‚No Deal‘-Szenarios zu begrenzen“, teilte die EU-Kommission am Mittwoch mit. Vor allem Handel, Verkehrswesen und Finanzen sollen geschützt werden.

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In dem Papier, das insgesamt 14 Maßnahmen auflistet, wird deutlich, dass bestimmte Notlösungen nur dann in Kraft treten können, wenn die britische Seite sie ebenfalls anwendet. Dazu zählen etwa die gegenseitige Befreiung von der Visa-Pflicht und Maßnahmen zum Erhalt des Flugverkehrs.

Einige Verbindungen sollten übergangsweise aufrechterhalten bleiben, schlug die Brüsseler Behörde vor – wenn Großbritannien ähnliche Zugeständnisse macht. Die EU-Regelung soll für zwölf Monate gelten.

Auch die Finanzströme sollen zunächst für zwölf Monate ohne Unterbrechung weiter fließen, die zentrale Abwicklung von Finanzderivaten für zwölf Monate fortgesetzt werden.

Im Güterverkehr auf der Straße soll zumindest eine Basisversorgung sichergestellt werden. Konkret: Britischen Spediteuren bliebe es zunächst erlaubt, vorübergehend weiter in die EU zu fahren und umgekehrt, erklärte die Kommission.

Brok: Auf „allerhärteste Form“ vorbereiten

Elmar Brok (72, CDU), Brexit-Beauftragter der EVP-Fraktion, betonte, das EU-Paket dürfe nicht als Drohung missverstanden werden. Brok zu BILD: „Das sind notwendige Vorsichtsmaßnahmen, die wir den Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft schuldig sind. Wir müssen die Folgen eines harten Brexit unter Kontrolle halten. Bei allen Bemühungen um die Mehrheitsfähigkeit des Austrittsabkommens müssen die EU und die Mitgliedstaaten auf die allerhärteste Form des Brexit vorbereitet sein.“

„Jedermanns schlimmster Alptraum“

In Großbritannien liegen nach dem angekündigten Militäreinsatz die Nerven blank: „100 Tage vor dem geplanten EU-Austritt (…) besteht die einzige Gewissheit darin, dass der Brexit ein Schlamassel ist“, kommentiert der „Independent“. „Die Ungewissheit ist schlecht für die Wirtschaft, die Jobs und den Lebensunterhalt.“ Theresa Mays mögliche Bruchlandung bei ihrem Brexit-Kurs sei „vermutlich jedermanns schlimmster Alptraum“.

Alarm schlägt auch der Bankenverband in Berlin: „100 Tage vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU ist der harte Brexit wahrscheinlicher denn je“, sagte Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid. „Dies bedeutet: Wenn im britischen Unterhaus in der dritten Januarwoche weiterhin keine Mehrheit für den Austrittsvertrag zustande kommt, müssen Unternehmen und Banken in den Notfallmodus übergehen.“

Alle Geschäftsprozesse sowie alle Kunden in der deutschen Industrie müssten sich dafür wappnen, dass der heutige Rechtsrahmen am Finanzplatz London nicht mehr gilt.

Schadensbegrenzung auf beiden Seiten

Von einem Tag auf den anderen müssten bei einem Chaos-Brexit die Leitungen zum Datenaustausch gekappt werden, warnte der Verband bereits im Vorfeld. „Wir müssen gemeinsam sicherstellen, dass unsere eng verflochtenen Volkswirtschaften so wenig Schaden wie möglich erleiden und die Wertschöpfungsketten über den Kanal hinweg weiter funktionieren“, appellierte Krautscheid.

Zugleich räumte der Verbandschef ein, dass der Finanzplatz Frankfurt vom Hickhack um den Brexit profitiere: „Die Übertragung von Aktivitäten, Kundenbeziehungen und Bilanzwerten in Höhe von Hunderten Milliarden Euro von London auf den Kontinent läuft seit Wochen mit größter Intensität.“

Wie wahrscheinlich ist der Chaos-Brexit?

Trotz der Blockade im britischen Parlament sieht Brexit-Experte Prof. Iain Begg (65) von der London School Of Economics die Gefahr einer ungeregelten Scheidung nach wie vor gering. Er verweist darauf, dass auch die EU-Seite ins Trudeln geraten würde, etwa durch den Wegfall der milliardenschweren Abschlusszahlungen, die bei den laufenden Haushaltsberatungen fest einkalkuliert sind.

Theresa May könnte mit den am Dienstag vorgestellten Notfallplänen auch das Ziel verfolgen, Kritiker ihres Brexit-Plans doch noch ins Lager der Unterstützer zu ziehen, wenn Mitte Januar die verschobene Abstimmung im Parlament stattfindet.

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