Politik

Erster Regierungschef spricht von 2. Referendum

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Warum Theresa May am Abend in Brüssel keine großen Zugeständnisse erwarten kann

Es klang ein wenig wie abgesprochen, was die Staats- und Regierungschefs bei ihrer Ankunft zum Brexit-Gipfel in Brüssel in die Mikrofone der Reporter sprachen: Nein, man werde das Brexit-Abkommen im für Irland entscheidenden Punkt der Notfallklausel („Backstop“) nicht nachverhandeln.

Aber ja, „Spielraum“ für Zusatzerklärungen aller Art gebe es durchaus. Im Übrigen sei das Abkommen „sehr gut verhandelt“ (Kanzlerin Angela Merkel) und „für beide Seiten ein guter Deal“ (Österreichs Kanzler Sebastian Kurz).

Nur einer hatte offensichtlich keine Lust, sich an Sprachregelungen zu halten, die der angezählten britischen Premierministerin Theresa May im Kampf um ihren „weichen“ Brexit-Plan helfen sollen: Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel.

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„Brexit ist auf Lügen aufgebaut“

„Das ganze (Brexit-)Referendum ist auf Lügen der Brexit-Befürworter aufgebaut“, schimpfte Bettel zunächst auf Deutsch. Die pauschale Aussage, wonach man Europa problemlos und zum eigenen Vorteil verlassen könne, stimme nicht. Dann sprach er an, was seine Kollegen bislang aus Rücksicht auf May und die ohnehin angespannte Stimmung in Großbritannien nicht groß beim Namen nannten: Die Möglichkeit, das Volk ein zweites Mal zu befragen.

Es könnte „vielleicht eine Lösung“ sein, wenn die britischen Bürger „sich zum zweiten Mal zum Ausdruck bringen“ könnten, sagte Bettel so diplomatisch er nur konnte. Die Entscheidung liege in London, betonte er.

Der Zufall wollte es, dass in diesem Moment Theresa May hinter Bettel auf dem roten Teppich auftauchte. Wangenküsse wurden getauscht, dann sagte Bettel in die Richtung von May: „We are ready to help“ – „Wir sind zur Hilfe bereit“.

🔴#ENDIRECTO | @Xavier_Bettel y @theresa_may se han abrazado a la llegada a la cumbre. Bettel se muestra dispuesto a ayudar a la primera ministra #EUCO https://t.co/3JaoZr1VR8 pic.twitter.com/ms8Wb3dPhI

— Aquí Europa (@AquiEuropa) December 13, 2018

Unklar blieb, ob das Thema zweites Referendum auch beim Abendessen zur Sprache kommen würde, bei dem ein weiterer Meinungsaustausch zwischen May und ihren EU-Kollegen geplant ist, ehe diese dann spätabends (ohne May) ihre Schlussfolgerungen ziehen wollen.

Es ist eine paradoxe, fast bizarre Situation: Die 27 EU-Länder, von denen sich niemand über den britischen Austrittswunsch gefreut hat, müssen nun öffentlich den Brexit schönreden, die künftigen Beziehungen möglichst in bunten Farben malen. In gewisser Weise werben sie für den Brexit, indem sie neue Handelsabkommen mit der EU in Aussicht stellen – während zugleich auf Diplomaten-Ebene tiefe Verärgerung über das Brexit-Gewürge in London und Mays durchschaubares Spiel auf Zeit herrscht.

Ein Satz im EU-Papier könnte May zu Hause helfen …

Im Entwurf des Gipfel-Papiers, das BILD einsehen konnte, stehen vier der sechs Punkte in eckigen Klammern – was bedeutet, dass die Zustimmung aller Teilnehmer noch nicht sicher ist.

Darunter ist ein Satz über „Zusicherungen“, den May zu Hause als kleinen Zwischenerfolg verkaufen könnte. Aber auch ein Satz, der Hoffnungen in Westminster auf ein Einknicken der EU endgültig begraben dürfte: Das Austritts-Abkommen sei „nicht offen für Nachverhandlungen“. Punkt. Eventuelle Zusatz-Vereinbarungen dürften auch nicht im Widerspruch zum ausgehandelten Vertragswerk stehen.

Die von Brexit-Hardlinern in London geforderte Befristung des „Backstops“ will die EU laut Entwurf nicht zusagen – was wenig überraschend ist, weil man dafür bei Irland im Wort steht. Hintergrund sind Ängste vor einem Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts (3000 Tote bis 1998).

„Weihnachtswunsch: Entscheidet endlich“

Das entspricht auch der Linie des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der keine „Zweideutigkeit“ für die Gespräche am Abend aufkommen lassen wollte: Man könne nicht rechtlich wieder „aufschnüren“, was man monatelang ausgehandelt habe.

Bleibt die Möglichkeit, das Vertragswerk als Ganzes zu entsorgen – wenn die Briten den Rat eines Pragmatikers aus dem kleinen Luxemburg aufgreifen. Und der pro-europäischen britischen Zeitung „Independent“, die vor Kurzem titelte: „Blast das ganze Ding ab.“

So oder so: Per Tweet ermutigte Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite die Briten zum Ende der Grübelphase: „Weihnachtswunsch: Entscheidet endlich, was ihr wirklich wollt, und der Weihnachtsmann wird es bringen“, schrieb sie zum Foto eines Weihnachtsbaums aus Schokolade.

#Brexit Christmas wish: finally decide what you really want and Santa will deliver pic.twitter.com/lJziZsahry

— Dalia Grybauskaitė (@Grybauskaite_LT) December 13, 2018

Vor Beginn der Brexit-Beratungen beschlossen die EU-Regierungen die Verlängerung der im Ukraine-Konflikt verhängten Russland-Sanktionen. Grund sei, dass es „Null Fortschritte bei der Umsetzung des Minsk-Abkommens“ gebe, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Ohne Beschluss wären die Sanktionen am 31. Januar usgelaufen.

Zudem forderten die EU-Staats- und Regierungschefs von Moskau die sofortige Freilassung der festgenommenen ukrainischen Seeleute.

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