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CDU-Chefin fordert Frühwarn-System für Flüchtlinge

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+++ „Wir sind kein Rechtsstaat, der sich auf der Nase herumtanzen lässt“ +++
„Wir haben unsere Lektion gelernt“ +++

Quelle: Reuters
0:59 Min.

Hitzige Debatten und offene Gespräche – die CDU hat heftiger als erwartet die Flüchtlingspolitik ihrer Ex-Chefin aufgearbeitet.

Eigentlich sollte es ein Blick nach vorn sein – keine Abrechnung mit der Vergangenheit, keine Generaldebatte über die Entscheidungen von Kanzlerin Angela Merkel (64).

Doch dieser Plan der neuen CDU-Vorsitzenden, Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK, 56), ging nicht ganz auf. Schon am Sonntag war die Veranstaltung mehr Rückblick auf die Ereignisse vom Herbst 2015 als ein tatsächlicher Blick in die Zukunft.

Am Montag ging es weiter – rund 100 geladene Experten aus der Praxis und Wissenschaftler diskutierten in vier Arbeitsgruppen mit führenden CDU- und CSU-Politikern über Migration, Sicherheit und Integration.

Ziel: Konkrete Handlungsempfehlungen für Parlament und Regierung.

Bei der Abschlussdiskussion nannte AKK das Werkstatt-Gespräch eine „gelungene Premiere“. Fazit des Treffens sei auch: „Was im September 2015 und in der Folge passiert ist, war eine absolute Ausnahmesituation.“ Man müsse alles daran setzen, dass so etwas nicht noch mal passiere.

▶︎ „Wir haben unsere Lektion gelernt“, resümierte AKK. Und: „Wir sind kein Rechtsstaat, der sich auf der Nase herumtanzen lässt.“ Und auch einige der erarbeiteten Forderungen griff sie auf. So forderte AKK unter anderem ein umfassendes „Migrationsmonitoring“ und ein „Frühwarnsystem“.

Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak zog eine positive Bilanz: „Das Format Werkstatt-Gespräch ist hervorragend“, sagte er. Er freue sich über den „Mut zur Debatte“. Weitere Talk-Runden: nicht ausgeschlossen!

Wie geht es jetzt weiter? Die wichtigsten Ergebnisse des Werkstattgesprächs werden in einem Papier zusammengefasst und im Präsidium Ende Februar besprochen. Die entsprechenden Punkte könnten auch ins Europawahl-Programm einfließen.

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen im Detail

Vier Arbeitsgruppen gab es. Das waren ihre Ergebnisse:

1. Europapolitiker Sven Schulze berichtete aus der Gruppe „Europäischer Außengrenzschutz und Europäisches Asylsystem“: „Egal, was wir aus Deutschland machen, wir müssen mit unseren Partnern immer eine Win-Win-Situation machen.“
Wichtig sei es außerdem, temporäre Binnenkontrollen überflüssig zu machen und die Asylstandards anzugleichen.
Zugleich trete die Union für eine Stärkung der EU-Grenzschutzorganisation Frontex zur Sicherung der EU-Außengrenzen ein. Die Freizügigkeit innerhalb der EU dürfe nicht verloren gehen, warnte Schulze: „Der Grenzschutz muss gut werden.“

Auch Transitzentren waren Thema. Schulze: „Es muss sichergestellt werden, dass wir wissen, wer den Schengen-Raum betritt.“ Der Datenaustausch müsse besser werden: „Wenn jemand Daten registriert hat, müssen die für alle in Europa zugänglich sein. Wir brauchen die Daten dauerhaft.“ Außerdem forderte er ein Einreise- und Ausreiseregister.

2. Peter Beuth, Innenminister in Hessen, und Armin Schuster, Innenexperte, stellten die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Ordnung und Steuerung der Migration in und nach Deutschland“ vor:

Beuth zu den Außengrenzen: „Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger (in Deutschland; d. Red.) wird auch dort geschützt.“ Es müsse eine konsequente Sanktionierung geben für alle, die nicht mitwirken bei der Identitätsfeststellung. „Wer das nicht tut, soll im Zweifel auch einen Nachteil haben.“

Armin Schuster wurde in seinem Fazit besonders deutlich: „Wir haben aus 2015 unsere Lektion gelernt. Wir gehen davon aus, dass sie (die Situation, A.d.R.) wiederkommen könnte.“ Man gehe sogar davon aus und sei daher im Modus: „Nach der Krise ist vor der Krise.“

Deshalb forderte Schuster 5000 neue Beamte für die europäische Grenzschutzagentur Frontex bis 2020 und eine intelligente Grenzüberwachung. An den europäischen Außengrenzen sollten außerdem auch Asylverfahren durchgeführt werden – und etwaige Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber. Die Bundesregierung solle zudem in Brüssel Bescheid geben, dass Deutschland „lageangepasst an den Orten und zu den Zeiten, wo es sinnvoll ist“, Kontrollen an den eigenen Grenzen durchführe – solange der EU-Außengrenzenschutz nicht funktioniere.

Zudem wolle man die Befugnisse der Bundespolizei ausweiten. Für die Integration sei es notwendig, dass „nur Menschen in den Kommunen ankommen, die eine gute Bleibeperspektive haben“, so Schuster.

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3. Die beiden Innenminister Baden-Württembergs und Bayerns, Thomas Strobl und Joachim Herrmann, sprachen für die Gruppe: „Innere Sicherheit und Abschiebepraxis“.

Strobl machte zu Beginn deutlich: Abschiebungen seien wichtig, „um in den Heimatländern ein klares Signal zu setzen“. Aktuell werde die Mehrheit der Abschiebungen nicht vollzogen. Es brauche Sicherungshaft und Ausreisegewahrsam. Der Abschiebeprozess würde sich dadurch entspannen: „Das wäre ein Instrument, dass vor allem den Polizistinnen und Polizisten ganz sicher sehr helfen würde.“

Weitere Vorschläge Strobls: nur noch EIN Asylverfahren pro Geflüchtetem innerhalb der EU, die Streichung aller Sozialleistungen für wiedereingereiste Abgeschobene und die Ausweisung straffälliger Migranten bei Sexualdelikten und bei Straftaten gegen Polizisten – „immer und in allen Fällen erfolgen“.

Strobl sagte selbst, dass es „zum Teil harte aber sehr praxisnahe“ Ratschläge seien. So auch der Vorschlag, dass sich bei juristischen Entscheidungen die Behörden künftig auf die Entscheidung nur eines Gerichts verlassen sollen. Das würde bedeuten: Die Entscheidung soll nicht vor weiteren Gerichten angefochten werden können.

4. Zum Schluss kamen Annette Widmann-Mauz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, und Thomas Kufen, Oberbürgermeister von Essen, für die Arbeitsgruppe „Integration vor Ort“:

„Wir wollen die Kommunen in eine stärkere Position bringen“, machte Kufen klar. Denn dort werde die Hauptarbeit in der Integration geleistet. Gleichzeitig sagte er aber auch: „Aufnahmefähigkeit hat auch Grenzen.“

Widmann-Mauz: „Am Ende soll aus unserer Sicht auch die Einbürgerung stehen können.“ Deshalb sei die Wertevermittlung im Integrationsprozess sehr wichtig. Sie forderte eine „Integrationsoffensive“ für die, die bleiben wollen.

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Die Aufreger-Momente der Werkstattgespräche

▶︎ Bei der Begrüßung verhaspelt sich AKK, bezeichnet ihre CDU-Parteikollegen als „Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten“. Danach: 50 Minuten Expertentalk und rund 40 Minuten für Nachfragen und Anregungen – und da kam so einiges auf den Tisch.

▶︎ Für besondere Furore sorgten die Aussagen von Egbert Jahn (77, Politikwissenschaftler), der fordert, zwischen Armuts- und Kriegsflüchtlingen besser zu unterscheiden. Er will „Dauerflüchtlingssiedlungen“ (wie im Nahen Osten) auch in Europa etablieren. In anderen Worten: Flüchtlingsstädte.

Jahn: „Warum gibt es keine Politik, diese Hotspots auszubauen. Zu Dauerflüchtlingssiedlungen? Warum sollen diese Flüchtlingssiedlungen nur in Jordanien, Kenia, Bangladesch möglich sein, warum nicht in Europa?“

▶︎ Für Aufregung sorgte auch der Polizeibeamte Manuel Ostermann. Er lieferte ein Unfassbar-Beispiel für deutschen Abschiebe-Irrsinn – und forderte, dass man sich nicht in „irgendwelchen Ausreden“ verstricken sollte, „gemeinsam eine Lösung zu finden, und dass dieser kleine Verwaltungswahnsinn endlich ein Ende findet“.

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