Politik

Wie der Spiegel die „Weiße Rose“ missbrauchte

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Auch das aufsehenerregende Interview mit Traute Lafrenz (99) war verfälscht

Es reicht, wenn man Traute Lafrenz (99) einfach zuhört, wie sie über ihr bewegtes Leben spricht.

Lafrenz ist die letzte lebende „Weiße Rose“. Jene Widerstandsgruppe um die Geschwister Hans († 24) und Sophie Scholl († 21), die ihren Kampf gegen die Nazis mit dem Leben bezahlten.„Spiegel“-Reporter Claas Relotius reichte das nicht.

Am 22. September erschien im „Spiegel“ das Interview, das Relotius mit Lafrenz in ihrem US-Wohnort Charleston geführt hatte. Es las sich zutiefst bewegend, lehrreich und hochpolitisch. Aber es war, wie der „Spiegel“ gestern mitteilte, in wesentlichen Teilen verfälscht.

  • Warum macht der „Spiegel“ das?

    Reporter als psychisch krank dargestellt

    „Ich bin krank, und ich muss mir jetzt helfen lassen“, zitierte der Vize-Chefredakteur den Reporter im Bericht zum Fälschungsskandal.

  • Kollege des Fake-Reporters

    „Ich wusste, dass er lügt“

    Claas Relotius’ Kollege Juan Moreno hat die Lügen in den Reportagen des „Spiegel“ aufgedeckt. Der SZ gab er jetzt ein Interview.

Besonders bitter: Gerade eine viel zitierte, politische Aussage von Lafrenz ist wohl frei erfunden.

Laut Interview sagte die 99-Jährige in Bezug auf die ausländerfeindlichen Proteste in Chemnitz (August): „Deutsche, die streckten auf offener Straße den rechten Arm zum Hitlergruß, wie früher.“ Sie habe Fotos in einer US-Zeitung gesehen, ihr sei „ganz kalt geworden“.

Wenn eine Zeitzeugin wie Traute Lafrenz Deutschland in die düstere Vergangenheit abgleiten sieht, sollten alle Deutschen aufhorchen. Doch Lafrenz hat diesen Satz nie gesagt. Die Fotos aus Chemnitz hat sie in US-Zeitungen nie gesehen.

Wahr ist: Claas Relotius hat die Bilder aus Chemnitz gesehen. Er behauptet, am selben August-Sonntag bei Lafrenz gewesen zu sein, „als mehr als 7000 Kilometer entfernt in Deutschland, im sächsischen Chemnitz, ein Stadtfest eskaliert und Neonazis aufmarschieren“.

Heißt: Relotius missbrauchte das Lebenswerk von Traute Lafrenz und das Erbe der „Weißen Rose“ für seine eigene Geschichte über Deutschland.

Einige Wochen zuvor hatte BILD ein Interview mit Traute Lafrenz gedruckt (und ein Video gezeigt). An aktuellen Themen hatte sie wenig Interesse gezeigt, nicht einmal an US-Präsident Trump.

  • BILD traf Traute Lafrenz

    Ich bin die letzte Weiße Rose

    BILD traf Traute Lafrenz (99) in den USA. Sie liebte Hans Scholl und ist die letzte Zeitzeugin der berühmten NS-Widerstandsgruppe.

Sie erzählte aber von ihrem ehemaligen Schulkamerad, dem späteren Bundeskanzler Helmut Schmidt. Laut ihren Äußerungen im „Spiegel“-Interview soll sie Schmidt Anfang der 80-er Jahre in Chicago mit „He, Revolverschnauze!“ gegrüßt haben.

Traute Lafrenz gestern: Das habe sie nie zu Schmidt gesagt.

Allerdings hatte sie den Begriff in einem Video-Interview mit BILD benutzt. Möglich, so Spiegel Online, dass Relotius sich im BILD-Interview bedient habe.

Zeitzeugin Traute Lafrenz (99)

Ich bin die letzte Weiße Rose

Quelle: BILD / Ralf Günther
6:23 Min.

Die fehlenden Stunden machte Claas Relotius woanders wieder gut. Nach BILD-Informationen besuchte Relotius nach dem Interview den „Weiße Rose“-Experten Robert Zoske, Autor von „Flamme sein! Hans Scholl und die Weiße Rose“. Er wollte sich offenbar in seine Protagonisten besser hineinversetzen – denen er dann nicht Gesagtes unterschob.

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