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Tritt Kanzlerin Merkel nach der EU-Wahl zurück?

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Spekulationen über vorzeitiges Ende ihrer Kanzlerschaft reißen nicht ab – Experte warnt vor Wahl-Klatsche ★ BILD-Blitz-Umfrage: Soll Merkel abtreten?

Zieht sie bis 2021 durch oder zieht sie sich schon vorher zurück?

Die Spekulationen über die Kanzlerschaft von Angela Merkel reißen nicht ab. Am Montag wurde bekannt, dass CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (56) ihre Parteispitze zur Klausurtagung nach der Europawahl geladen hat.

Auch wenn es vordergründig um die neue Steuerschätzung gehen soll, ist wohl klar: Thematisiert werden auch die Konsequenzen aus dem Wahlergebnis, das aktuell nichts Gutes verheißt. Könnten dann auch Rufe nach einem vorzeitigen Ende von Angela Merkels Kanzlerschaft aufkommen?

▶︎ Sollte Merkel wirklich zurücktreten, könnte Kramp-Karrenbauer als Nachfolgerin vorgeschlagen werden – bekäme sie im Bundestag aber keine Mehrheit, würde es im Herbst zur Neuwahl kommen.

Merkel selbst wies die Mutmaßungen am Dienstag zurück. Auf die allgemeine Frage, ob es eine schon länger getroffene Entscheidung gebe, über die sie anlässlich einer nach der Wahl vorgesehenen CDU-Vorstandsklausur informieren wolle, sagte Merkel am Dienstag in Berlin, dies könne sie „mit einem klaren Nein beantworten“.

Am späten Nachmittag stellt sich die Kanzlerin im brandenburgischen Schwedt den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern. Mit Spannung wird erwartet, ob sie dann Klartext redet.

„Der Augenblick wäre günstig“

★ Dass Merkels Zukunft ein großes Thema ist, zeigt ein Blick in die Tageszeitungen. Nachdem die „WELT“ die Spekulationen angestoßen hatte, orakelte auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in einem Kommentar über die Ära Merkel: „Der Augenblick wäre günstig […] Warten Merkel und Kramp-Karrenbauer dennoch ab, könnte der richtige Zeitpunkt verpasst sein“.

★ Der „Tagesspiegel“ titelt: „CDU befeuert neue Spekulationen über Merkel-Abschied“. Je nach Ausgang der Europawahl könnte es zu einer neuen Krise in der GroKo kommen; „dies dürfte auch bedeuten, dass Kramp-Karrenbauer rascher als vermutet versuchen dürfte, Merkel auch als Kanzlerin zu beerben“.

★ Auch die Süddeutsche Zeitung“ macht bei den Mutmaßungen mit. Sollten die Wahlergebnisse der CDU schlechter ausfallen als erwartet, könnte es in der Partei eine neue Debatte geben – „und zwar darüber, wie lange Angela Merkel noch Kanzlerin bleiben sollte, oder ob es nicht zumindest eine Kabinettsumbildung geben müsse“.

Annegret Kramp-Karrenbauer selbst hat unterdessen betont, dass es bei der CDU-Führungsklausur um die neue Steuerschätzung gehe. Auf die Frage, ob auf der Klausur auch ein Wechsel von Kanzlerin Angela Merkel zu ihr vorbereitet werden solle, sagte sie am Dienstag im Fernsehsender „Welt“: „Nein.“

Das ist allerdings wenig überraschend. Wie viel ist an den Spekulationen also dran? Könnte Merkel tatsächlich früher zurücktreten und ihr Versprechen, bis zum Ende der Legislaturperiode zu regieren, damit brechen?

„Diese Spekulationen schaden der CDU bei der Wahl“

▶︎ Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld hält das für unwahrscheinlich. Die Spekulationen überraschen ihn nicht, auch wenn die angekündigte Klausur nichts Außergewöhnliches sei: „Es ist eigentlich ein völlig normaler Vorgang, dass man nach einer wichtigen Wahl sagt ‚Wir setzen uns zusammen und denken nach‘. Und wenn AKK das Selbstbewusstsein der CDU wieder stärken will, was sie selbst als ihren Auftrag ansieht, dann ist das ein richtiger Schritt.“

Allerdings sei die Unklarheit darüber, was diese Klausurtagung zu bedeuten hat, ein Fehler; es fehle die klare Kommunikation der Partei: „Das schadet der CDU bei der Wahl. Wer findet attraktiv, dass man andauernd darüber nachdenkt, ob Merkel bleibt oder nicht? Das ist fatal. Da fragt man sich, welche Grundausbildung AKK in politischer Strategie hat. Denn es war zu erwarten, welche Spekulationen jetzt ausgelöst wurden.“

Die nachträgliche Angabe „Steuerschätzung“ sei eine „Notantwort auf die Medienturbulenzen, die sie mit ihrer strategischen Stummheit selbst ausgelöst“ habe, meint Weidenfeld.

▶︎ Es sei für Kramp-Karrenbauer strategisch schlauer, bis 2021 abzuwarten: „Bis zur Bundestagswahl kann man das viel besser dramaturgisch inszenieren. Merkel kann AKK als Mitregierende präsentieren und so in Stellung bringen. Alles andere ist mit Riesen-Turbulenzen verbunden – ohne dass man weiß, welches Ergebnis dabei rauskommt. Das kann kein rationaler Politiker wollen.“

Auch der Politikwissenschaftler Jürgen Falter vermutet keinen vorzeitigen Rücktritt Merkels: „Wenn es ein Ende der Koalition noch in diesem Jahr geben sollte wird das wohl eher von Seiten der SPD eingeleitet werden, die Morgenluft wittern könnte, wenn ihre Umfragewerte wieder etwas in die Höhe gehen und sich eine realistische Möglichkeit von Rot-Rot-Grün abzeichnete.”

Falter empfiehlt AKK ebenso wenig, schon jetzt alles auf eine Karte zu setzen, „denn dann müsste sie sich entweder auf die SPD verlassen, die sie bei einer Kanzlerwahl stützen müsste, was aber nicht im Interesse der SPD liegen kann. Denn ein Wahlkampf ist aus der Koalition heraus gegen die regierende Bundeskanzlerin alle Mal schwieriger ist als ein Wahlkampf gegen eine Spitzenkandidaten, die dieses Amt nicht innehat”.

Er glaubt außerdem, dass es ebenso wenig Sinn machen würde, auf Jamaika zu setzen: „Das ist für AKK nicht minder riskant, da die Grünen im Augenblick nicht daran denken werden, in eine solche Koalition mit ihren 8 % zu gehen, wenn sie die Chance haben, bei vorgezogenen Neuwahlen 20 % der Sitze zu bekommen und damit eine ganz andere Verhandlungsposition. Dann könnte eventuell sogar ein grüner Bundeskanzler werden.”

Schlechtes Europa-Wahl-Ergebnis könnte AKK schaden

Und was, wenn die Europawahl für die CDU tatsächlich eine Katastrophe wird?

„Dann werden eher Rufe nach einem frühzeitigen Ende von AKK laut“, vermutet Weidenfeld, denn: „Merkel vollzieht ihre Pflicht. In den Beliebtheitsumfragen ist sie auf Platz eins.“

Allerdings geht der Politikwissenschaftler nicht davon aus, dass das Ergebnis der Christdemokraten „so dramatisch“ wird: „Jede Partei aus dieser Parteienfamilie wird europaweit verlieren – und das relativiert die Verluste der CDU. Somit wird es kein Ergebnis geben, bei dem es einen Verlierer in Europa gibt – einen Verlierer namens Angela Merkel. Vielmehr wird die Aufmerksamkeit nach der Wahl darauf gerichtet sein, wie es nach dem Ergebnis möglich ist, Mehrheiten zusammenzubekommen.“

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