Politik

„Merkel ist diegrößte Verliererin“

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Damit hatte keiner gerechnet!

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (60, CDU) soll an die Spitze der EU-Kommission wechseln. Darauf einigte sich der EU-Gipfel am Dienstag nach stundenlangen Beratungen in Brüssel.

Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (64, CDU) es „ein gutes Zeichen“ nannte, dass mit von der Leyen zum ersten Mal eine Frau an die Spitze der mächtigen EU-Kommission rücke, gab es unter anderem aus der SPD scharfe Kritik.

▶︎ Dass mit von der Leyen eine Politikerin zum Zuge komme, die Ende Mai bei der Europawahl nicht als Spitzenkandidatin einer Parteiengruppe zur Wahl gestanden habe, „kann nicht überzeugen“, erklärten die kommissarischen SPD-Vorsitzenden Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel. „Damit würde der Versuch, die Europäische Union zu demokratisieren, ad absurdum geführt.“

▶︎ Auch die Grünen wiesen den Brüsseler Personaldeal als „grotesk“ zurück. „Wir brauchen nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner, der persönliche Interessen und Parteipolitik befriedigt“, erklärte die Ko-Fraktionsvorsitzende Ska Keller aus Deutschland. „Das ist nicht, was die europäischen Bürger verdienen.“

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Das Echo in der Presse fiel durchaus gemischt aus. Von „Riesenerfolg” für Merkel war bei den einen die Rede, andere schreiben von einem „fatalen Signal“ – und Merkel sei „die größte Verliererin“.

Auch international bekam die Personalentscheidung Aufmerksamkeit.

„Merkel ist die größte Verliererin“

▶︎ „de Volkskrant“ (Niederlande)

„Die größte Verliererin ist Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zwar soll ihre Parteifreundin Ursula von der Leyen Kommissionspräsidentin werden, die erste Deutsche auf diesem Posten in 52 Jahren. Aber es war nicht ihre Wahl. Von der Leyen ist für Merkel eine bittere Pille, ein ‚Geschenkchen‘ von Macron, der ihren Namen ins Spiel brachte. Von der Leyen stößt bei Merkels Koalitionspartner SPD auf heftigen Widerstand, weshalb sie sich am Dienstag bei der Abstimmung der EU-Regierungschefs als einzige enthalten musste. (…)“

▶︎ „Washington Post“ (USA)

„Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben am Dienstag vorgeschlagen, die mächtige Präsidentschaft der Europäischen Kommission an die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu vergeben. Damit holen sie sich in Zeiten internationaler Unsicherheit eine starke Befürworterin der transatlantischen Beziehungen in das Amt.“

▶︎ „Politico“

„Auf den ersten Blick scheint die umgängliche 60-jährige Ministerin mit ihrem kamerabereiten Lächeln eine perfekte Besetzung zu sein – mit der erforderlichen Erfahrung, dem politischem Stammbaum und der Persönlichkeit – um die schwierigste Aufgabe der EU zu bewältigen.

Und doch bleibt eine quälende Frage: Ist sie zu gut, um wahr zu sein?“

▶︎ „The Guardian“ (Großbritannien)

„Wenn der nächste britische Premierminister darauf gehofft hat, der neue Präsident der Europäischen Kommission würde ein neues Denken über den Brexit bringen, dann dürfte die Ernennung von Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker keine willkommene Entwicklung sein.“

▶︎ „The Independent“

„Sie wäre die erste Frau, die die Präsidentschaft der Europäischen Kommission innehat. Aber auch zu Hause war sie umstritten. Im Dezember musste sie sich einer parlamentarischen Untersuchung – wegen schlechtem Management und Vetternwirtschaft im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe in ihrer Abteilung – und engen Beziehungen zu Verteidigungsberatern stellen. Sie war auch in einen Skandal über mögliche Plagiate und Fehler in ihrer Promotion verwickelt.“

„Neue Züricher Zeitung“ (Schweiz)

„Auf sie hatten zuvor die wenigsten getippt. In Deutschland galt bisher als ausgemacht, dass sie ihren politischen Zenit überschritten hat. Nun macht sie plötzlich den ganz großen Karrieresprung. (…) Was sie nicht alles erreicht hat: Ärztin, siebenfache Mutter, Auslanderfahrung, strahlendes Auftreten und, kaum war sie 2005 in die Bundespolitik eingetreten, der steile Aufstieg zur Familienministerin, Arbeitsministerin, Verteidigungsministerin. Alles, was von der Leyen anpackte, schien ihr im Handumdrehen zu gelingen. Warum nicht auch der Vorsitz der EU-Kommission? Wie Macron ist sie äusserst ehrgeizig, kommunikativ, weltgewandt, und dazu spricht sie auch noch fliessend Englisch und Französisch. Wären da nur nicht die durchwachsene Bilanz und mancher schwerer Patzer im Verteidigungsministerium, die ihren Glanz in Deutschland erblassen ließen.“

►„Kurier“ (Österreich)

„Völlig überraschend wurde ihr Name in den Ring geworfen, und das, obwohl es doch eine Reihe anderer, kompetenter Kandidaten gegeben hätte, die sich durch die Mühen des Wahlkampfes geackert haben. Und so hat es einen nicht besonders beglückenden Beigeschmack, wenn eine – unzweifelhaft kompetente – Kandidatin urplötzlich aus dem Hut gezaubert wird. Es fühlt sich nach Umgehung aller europäischen Wähler an, die einem Spitzenkandidaten ihre Stimme gaben, um einen EU-Kommissionspräsidenten auf demokratischem Weg zu küren. Es fühlt sich an, als hätten die EU-Staats- und Regierungschefs das Europäische Parlament ins Leere laufen lassen. Und es fühlt sich an, als ob die EU noch einen Schub Demokratisierung mehr vertragen könnte.“

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Pressereaktionen aus Deutschland

▶︎ „Berliner Morgenpost“

„Nach Angela Merkel als erste Bundeskanzlerin Deutschlands soll jetzt Ursula von der Leyen als erste Präsidentin der EU-Kommission Geschichte schreiben. Wenn das Europäische Parlament zustimmt, ist ein Scoop gelungen. Ein Scoop, der hoffen lässt, dass Europa weiter auf dem Weg der Einigkeit ist und die destruktiven Kräfte kontrolliert werden können. Europa wird weiblicher und deutscher. Das ist gut so.“

▶︎ „Mittelbayerische Zeitung“

„Erst wird beim G20-Gipfel im japanischen Osaka ausgekungelt, wer künftig in der EU die mächtigsten Posten übernehmen soll – und als das krachend scheitert, wird Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen von den Regierungschefs als europaferne Notlösung aus dem Hut gezaubert: Den Personalpoker in Brüssel prägten Volten, die an Bizarrheit kaum zu überbieten sind. Am Ende allen Tauziehens gibt es reihum Verlierer: Das Parlament ist brüskiert. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich mit seinem Geschacher selbst verzwergt. Kanzlerin Angela Merkel setzte zwar eine Deutsche durch, bekam aber die Grenzen ihrer Macht zu spüren – und die Limitiertheit des gemeinsamen europäischen Geistes.“

▶︎ „Stuttgarter Nachrichten“

„Folgen die Europa-Abgeordneten dem Willen der nationalen Regierungen und wählen die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zur neuen Präsidentin der EU-Kommission – es käme einer Abdankung gleich. Schließlich steht nichts weniger auf dem Spiel als die demokratische Legitimation der EU. Die solle gestärkt werden durch eine Aufwertung der Volksvertretung – hieß es vor der Wahl des Parlaments auch aus vielen europäischen Regierungsparteien. Doch nach der Wahl hat die Stunde der Hinterzimmerakrobaten geschlagen.“


▶︎ „Badische Zeitung“

„Ursula von der Leyen ist zweifellos eine fähige Politikerin. Als Verteidigungsministerin hat sie sich aber aufgerieben, wie das vor ihr schon einigen Chefs dieses Ressorts ergangen ist. Der Wechsel nach Brüssel eröffnet der erfahrenen Pro-Europäerin eine neue Perspektive. Die Kanzlerin aber gewinnt Spielraum für eine Kabinettsumbildung.“

▶︎„Leipziger Volkszeitung“

„Angela Merkel, maulten Missgünstige, sei in der EU isoliert. Deswegen könne sie, logisch, auch beim Ringen um die Brüsseler Posten nichts durchsetzen. In Wirklichkeit hat die Kanzlerin nun einen Riesenerfolg errungen. Ihre langjährige Vertraute Ursula von der Leyen soll die EU-Kommission führen. Zum ersten Mal seit den 50er-Jahren kommt Deutschland in Brüssel zum Zug.“

▶︎„Neue Osnabrücker Zeitung“

„Schön, dass erstmals eine Frau auf dem Chefsessel der EU-Kommission Platz nehmen soll. Das ist aber auch schon das Positivste, das sich über den Coup sagen lässt. Die Tatsache, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Jean-Claude Juncker beerben soll und nicht jemand, der sich bei der Europawahl behauptet hat, sendet ein fatales Signal. Die EU-Lenker entsorgen ohne Not das Spitzenkandidatenprinzip, das doch erst mit für eine steigende Wahlbeteiligung gesorgt hatte.“

▶︎ „Rhein-Neckar-Zeitung“

„Jetzt wirds kleinlich: Die SPD zwang am Dienstag die Bundeskanzlerin, sich als Einzige der Stimme zu enthalten, als der EU-Gipfel Ursula von der Leyen als künftige Kommissionspräsidentin nominierte. Und das nur, weil der eigene Mann, der Sozialdemokrat Frans Timmermans, keine Mehrheit fand. Wut? Verzweiflung? Trotz? Jedenfalls eine politische Torheit. Denn Merkel hatte ja überhaupt keine Alternative. Timmermans war als Kandidat genauso gescheitert wie der konservative Manfred Weber.“

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