Politik

Katastrophen-Zeugnis für die Bundeswehr

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+++ Jahresbericht des Wehrbeauftragten Bartels zeigt große Lücken bei Ausstattung und Personal +++ Niedrigster Stand bei Neuantritten in der Geschichte der Bundeswehr +++ Bartels: „Wir verwalten uns zu Tode“ +++

Die Trendwenden Personal, Material und Infrastruktur, die seit 2016 laufen, kommen „nur zögerlich“ voran, kritisiert der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) in seinem neuen Jahresbericht für 2018.

Zwar stieg die Zahl der Berufs- und Zeitsoldaten im vergangenen Jahr bis Ende 2018 um 4000 auf 173 022. Inklusive der Freiwillig Wehrdienstleistenden dienten Ende vergangenen Jahres damit 181 274 in der Bundeswehr.

▶︎ Im Gegensatz zum Verteidigungsministerium (BMVg) sieht Bartels darin aber keine erfolgreiche Trendwende.

Rückläufige Bewerberzahlen

Die Bewerberzahlen sind seit Jahren rückläufig.

Zeigten 2016 noch 58 439 Bewerber Interesse an der Bundeswehr, waren es 2018 nur noch 52 200. Auch die tatsächlichen Diensteintritte gehen zurück – von 23 582 in 2016 auf 20 012 in 2018. Auch bei den Freiwillig Wehrdienstleistenden ist die Zahl rückläufig: 7 259 Ende 2018 im Vergleich zu rund 9000 im Jahr 2017.

▶︎ Die erhöhten Personalzahlen sind also Folge von Personalbindung und späteren Pensionierungen – nicht von tatsächlicher Personalgewinnung.

Wie das neue Ziel von 203 000 Soldatinnen und Soldaten bis 2025 (statt ursprünglich 198 000 bis 2024) erreicht werden soll, bleibt damit fraglich.

Durch die vielen offenen Dienstposten in rund 350 Bereichen (u.a. bei Spezialtätigkeiten) ist das Bestandspersonal nach wie vor überlastet. Hier gab es „keine signifikanten Verbesserungen“, kritisiert Bartels.

Zwischenfazit bei der Pressekonferenz von Bartels am Dienstagmittag in Berlin: „Die Bundeswehr leidet an Unterbesetzung und Überorganisation.“ Weiter moniert er: „Wir verwalten uns zu Tode!“

Frauen in der Bundeswehr

Die Zahl der Frauen ist weiter gestiegen – von 21 213 im Jahr 2017 (11,8%) auf 21 931 Frauen in 2018 (12,1%).

Auch ihr Anteil bei den Freiwillig Wehrdienstleistenden stieg von 16,3 auf 18,7%. Rechnet man den mit Frauen gut repräsentierten Sanitätsdienst (40,6% Frauenanteil) heraus, ist die Bundeswehr in den restlichen Bereichen (u.a. Marine, Heer, Luftwaffe) mit einer Frauenquote von 8,3% allerdings weit von dem festgelegten Ziel von 15% entfernt.

▶︎ Bartels greift in diesem Zusammenhang den Vorschlag von Staatssekretär Peter Tauber auf, eine Kaserne als Symbol der Wertschätzung nach einer Frau zu benennen.

Auch beim Material Riesenlücken

Von einer materiellen Vollausstattung ist die Truppe „weit entfernt“, schreibt Bartels in seinem Bericht. Die Probleme sind altbekannt: wenig einsatzbereite Panzer, kaputte U-Boote, zu wenig fliegende Kampfjets. Die Munitionsbestände sind nach wie vor „auf ein Minimum“ reduziert.

Die Verfügbarkeit beim Großgerät liegt teilweise deutlich unter 50 Prozent des Gesamtbestands. Von einer spürbaren Trendwende könne man nicht sprechen, so das Fazit.

Die Auswirkungen sind sowohl im Einsatz als auch im hiesigen Grundbetrieb bei der Ausbildung und bei der Übung spürbar. Sogar bei Basics der persönlichen Ausstattung (Schutzwesten, Stiefel, Kleidung) gibt es noch zu wenig für JEDEN Soldaten bzw. JEDE Soldatin.

„Diese Mangelwirtschaft ist extrem belastend“, heißt es in dem Bericht. Frust und Kündigungen sind die Folge. Dies sei nicht verwunderlich, schreibt Bartels.

Fälle von Rechtsextremismus und Sexismus

Den Anstieg der „Meldepflichtigen Ereignisse“ im Bereich des Rechtsextremismus (2016: 63) auf 170 in 2018 führt Bartels u.a. auch auf die verstärkte Sensibilisierung in der Öffentlichkeit zurück.

In der Pressekonferenz machte er deutlich: „Ob es rechtsextreme Netzwerke gibt, kann der Wehrbericht nicht klären. Hier sind andere Behörden gefragt.“

Der deutliche Anstieg im Bereich des Sexismus (+23%) auf 288 Fälle in 2018 könnte auch auf die sehr ausführlich geführte „Me too“-Debatte zurückzuführen sein, so Bartels.

Schockierende Rituale

Auch ein Thema im Wehrbericht: In einer Ausbildungsunterstützungskompanie musste sich ein Soldat wegen eines Milzrisses einer Notoperation unterziehen.

Möglicherweise dafür ursächlich: ein „alter Brauch“ der Fallschirmjäger, nachdem beförderte Soldaten mit einem Faustschlag bzw. „Knuffen“ in den Bauch beglückwünscht werden.

Fazit: Bartels kritisiert in seinem Bericht zur Lage der Bundeswehr schwere Ausrüstungsmängel, eine lähmende Verwaltung sowie einen historischen Tiefstand bei der Anwerbung neuer Soldaten.

Insgesamt sieht Bartels nach langen Jahren des Runtersparens keine Fortschritte bei einer Trendwende für die Modernisierung der Bundeswehr. Sein Appell: „Jetzt ist es Zeit für Entscheidungen.“

Bundeswehrverband beklagt „schlimmsten Zustand“ der Truppe seit 1990

Unterdessen hat der Bundeswehrverband den Zustand der Truppe scharf kritisiert.

Die Bundeswehr sei gemessen am Auftrag „nach wie vor im schlechtesten Zustand seit 1990“, sagte der Verbandsvorsitzende André Wüstner am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“.

Das sei frustrierend für die Soldaten. Zugleich mahnte Wüstner, es gebe genügend Ankündigungen, „es muss jetzt einfach umgesetzt werden“.

Er verwies unter anderem auf die sozialen Rahmenbedingungen, die materielle Ausstattung und die Infrastruktur der Bundeswehr. Die Umsetzung hänge am politischen Willen, fügte er hinzu, und kritisierte zugleich das Vorgehen von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU): Diese erwecke den Eindruck, sie stehe einerseits „auf dem Gaspedal“, andererseits „zieht sie die Handbremse“.

▶︎ Trotzdem habe die Ministerin noch sein Vertrauen, sie müsse nun aber das umsetzen, was vereinbart worden sei, sagte der Bundeswehrverband-Vorsitzende. „Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, und das verantworte die Ministerin. Wüstner kritisierte zudem Fehler, die bei der letzten Reform gemacht worden seien, und sprach von einem „Bürokratiemonster“ in der Bundeswehr.

Von der Leyen sieht Bundeswehr trotz Mängeln auf dem richtigen Weg

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hingegen sieht die Bundeswehr trotz fortbestehender Mängel bei Personal und Ausrüstung auf dem richtigen Weg. „Da muss man einen langen Atem haben und kraftvoll den Weg weiter nach vorne gehen“, sagte sie am Dienstag in Berlin. „Die Richtung stimmt auf jeden Fall“, hob sie hervor.

Von der Leyen betonte, es gebe bei der Bundeswehr ein dynamisches Wachstum und „viele Modernisierungsschritte, beim Material, beim Personal“ und bei den Finanzen. „Wir haben im Schnitt jede Woche einen neuen Panzer in der Truppe, im Schnitt jeden Monat ein neues Flugzeug oder einen neuen Hubschrauber, jedes Jahr ein neues Schiff.“

Auch ein Teil der derzeit unbesetzten Stellen werde mit Hilfe von rund 35.000 Frauen und Männern geschlossen werden können, die sich derzeit in der Ausbildung befänden.

▶︎ „Ich wünschte mir auch, dass vieles schneller ginge“, sagte dazu von der Leyen, „aber 25 Jahre des Schrumpfens und des Kürzens in der Bundeswehr“ ließen sich nicht in wenigen Jahren umkehren.

Die Ministerin steht wegen der Ausrüstungsmängel und Kritik am Einsatz externer Berater unter Druck.

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