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Ist der Hambacher Forst jetzt gerettet?

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Er ist das Symbol zum Kohleausstieg – der Hambacher Forst. Zehntausende demonstrierten für den Erhalt des Waldgebiets, das der Energiekonzern RWE für den Kohleabbau abholzen wollte.

Jetzt aber ist der Kohleausstieg bis 2038 beschlossene Sache. In knapp 20 Jahren soll Strom aus Kohle Geschichte sein.

BILD klärt die wichtigsten Fragen.

Wird der Hambacher Forst jetzt nicht abgeholzt?

Das Waldstück am Tagebau Hambach ist zum Symbol der Anti-Kohle-Bewegung geworden. RWE will ihn für den Braunkohleabbau roden lassen, ein Gericht hatte das vorerst gestoppt. Im Bericht der Kohlekommission heißt es: „Die Kommission hält es für wünschenswert, dass der Hambacher Forst erhalten bleibt.“

Umweltschützer werten das als klares Signal: Der Wald bleibt stehen. Und RWE? „Den Wunsch der Kommission, den Hambacher Forst zu erhalten, sieht RWE kritisch“, heißt es in einer Stellungnahme vom Samstag. Dies hätte massive Auswirkungen auf die Tagebauplanung, ihre technische Umsetzung und die Kosten. RWE gehe davon aus, „dass die Politik das Gespräch zu diesem Thema suchen wird“.

Noch ist der Hambi also nicht offiziell gerettet.

Wo stehen die größten Anlagen in Deutschland?

Die größten Braunkohlekraftwerke sind Neurath und Niederaußem im Rheinland sowie Jänschwalde und Boxberg in der brandenburgischen Lausitz. Zum Problem wird die Frage, was mit dem letzten, noch im Bau befindlichen Steinkohlekraftwerk Datteln wird. Der Energieversorger Uniper (früher Eon) fordert rasche Klarheit – auch mit Blick auf Entschädigungen. Das 1,2 Milliarden Euro teure Kraftwerk am Rande des Ruhrgebiets sollte nach derzeitigen Planungen 2020 ans Netz gehen.

Was wurde jetzt genau beschlossen?

Das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland soll spätestens 2038 vom Netz gehen – die betroffenen Regionen und Bürger bekommen zum Ausgleich Milliardenhilfen. Nach monatelangen Beratungen hat sich die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission am Samstag auf einen Ausstiegsplan geeinigt, der nun in Gesetzesform gegossen werden soll.

„Als Abschlussdatum empfiehlt die Kommission Ende des Jahres 2038“, steht im 336-seitigen Bericht. Dazu kommt eine Klausel, auf die die Umweltverbände gepocht hatten. Wenn Stromversorgung und die wirtschaftliche Lage es hergeben, kann das Ausstiegsdatum im Einvernehmen mit den Betreibern auf 2035 vorgezogen werden. 2032 soll das überprüft werden. Auch 2023, 2026 und 2029 soll der Ausstiegsplan auf den Prüfstand kommen.

Nach dem Konzept sollen Privathaushalte und die Wirtschaft ab 2023 von möglicherweise steigenden Strompreisen entlastet werden, was zwei Milliarden Euro pro Jahr kosten könnte. Dazu kommen weitere Subventionen der energieintensiven Industrie sowie Hilfen für Kohle-Kumpel, die früher aus dem Job ausscheiden, und diejenigen, die einen neuen Job brauchen. Die Kohleländer Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen sollen vom Bund über 20 Jahre insgesamt 40 Milliarden Euro Hilfe für den Strukturwandel bekommen, dazu soll die Verkehrsanbindung der Kohleregionen über ein zusätzliches Programm verbessert werden.

Was machen unsere Nachbarn und die Welt?

Deutschland hat jetzt also nach dem Ausstieg aus der Atomenergie auch den Kohleausstieg beschlossen. 2018 wurden gut 40 Prozent aus alternativen Energien wie Solar-, Wind- und Wasserkraft erzeugt. Ab dem Jahr 2038 soll das dann anders sein.

Wie machen es unsere Nachbarn und die Länder weltweit?

Laut Greenpeace werden 40 Prozent der Energie weltweit mit der Verbrennung von Kohle erzeugt. Besonders Braunkohle ist schädlich. Deutschland ist der größte Verbraucher von Braunkohle weltweit, liegt laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2015) vor China und Russland. ABER: Bei der Steinkohle liegt Deutschland auf dem 10. Platz. Rechnet man Stein-und Braunkohle zusammen, liegt Deutschland auf dem 8. Platz.

Wie halten es unsere Nachbarländer? Wer steigt wann aus?

▶︎ Die Niederlande haben beschlossen, dass sie bis 2030 alle Kohlekraftwerke abschalten wollen.

▶︎ Der französische Präsident Emanuel Macron will in Frankreich bis 2021 Kohlekraftwerke abschaffen.

▶︎ Polen geht einen ganz anderen Weg. Statt abzuschalten, will man Kohle noch mehr fördern. Aktuell macht die Kohleverbrennung schon 80 Prozent der Energiegewinnung aus, dieser Anteil soll noch gesteigert werden.

Wird der Strom jetzt teurer?

Weniger Kohlestrom kann mehr Strom aus Gaskraftwerken bedeuten – zudem soll das Speichern von überschüssigem Wind- und Solarstrom verstärkt werden. Die Kommission rechnet wegen der schrittweisen Verringerung des im Vergleich günstigen Kohlestroms (wenn man die Klimafolgekosten nicht berücksichtigt) ab 2023 mit Preiseffekten: „Aus heutiger Sicht ist zum Ausgleich dieses Anstiegs ein Zuschuss in Höhe von mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr erforderlich.“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) rechnet nicht mit steigenden Strompreisen durch den Kohleausstieg. Studien ihres Hauses hätten gezeigt, dass „keineswegs von steigenden Strompreisen durch den Kohleausstieg auszugehen“ sei, sagte Schulze den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Sonntag.

Was ist das größte Problem beim Öko-Strom?

Die Speicherung. Bei viel Wind und Sonne produzieren wir schon heute so viel Öko-Strom, dass Deutschland alle anderen Kraftwerke abschalten könnte. Aber woher kommt der Strom, wenn es dunkel ist? Schon jetzt speichern Kraftwerke Energie, indem sie Wasser in einen Stausee pumpen. Bei Bedarf wandeln sie das Wasser wieder in Elektrizität um. Die Kapazität unserer 36 Pumpspeicherkraftwerke reicht nur für den Tagesgebrauch. Nach acht Stunden wären alle Stauseen leer.

Eine Alternative ist das „Power-to-Gas“-Verfahren. Hierbei wird Ökostrom aus Wind und Sonne in Gas umgewandelt und dann gespeichert. Rund 60 Prozent der Leistung bleibt dabei erhalten. Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts können die Erdgasspeicher in Deutschland bald über 332 Terawattstunden speichern, das wäre der Bedarf für mehrere Monate. Ein Problem haben alle Energiespeicher derzeit gemein: Sie sind unwirtschaftlich.

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Gehen bald die Lichter aus, weil der Strom ausfällt?

Nein. Dass pausenlos Energie und Wärme zur Verfügung stehen, ist „Grundlage der deutschen Volkswirtschaft“. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1994 gesagt, Strom ist „so wichtig wie das Interesse am täglichen Brot“.

Deshalb muss das Wirtschaftsministerium noch genauer überwachen, wie ausreichend unsere Stromkapazitäten sind. Dazu gibt es künftig „Stresstests“. Außerdem sollen neue Gaskraftwerke schneller genehmigt werden. Für jedes stillgelegte Kohlekraftwerk sollen gleichwertige Speicher und Gasturbinen errichtet werden.

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