Politik

„Darf ich hier noch sagen, was ich denke?“

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Berlin – Deutschland diskutiert: Darf man bei uns noch sagen, was man denkt?
Handball-Legende Stefan Kretzschmar (45) kritisierte: „Wir haben keine Meinungsfreiheit im eigentlichen Sinne!“

Nur noch „Mainstreampolitische Meinung“ sei gefragt („Wir sind bunt“, „Refugees welcome“). Doch wer sich „gesellschaftskritisch oder regierungskritisch“ äußere, der bekomme „sofort jedes Wort vorgworfen“. Müsse um seinen Arbeitsplatz, seinen Ruf (und seine Werbeverträge) bangen …

  • Ex-Handball-Star

    Kretzschmar: »Keine Meinungsfreiheit in Deutschland

    Ex-Handball-Star Kretzschmar bemängelt, dass der Druck von Arbeitgebern und Öffentlichkeit das Äußern einer freien Meinung verhindere.

BILD fragte Experten, Historiker, Prominente und ganz normale Bürger:

Hat Kretzschmar Recht? Oder spielt er sich zum Opfer auf?

Til Schweiger (55), Schauspieler

„Stefan hat total Recht. Wenn man populäre Meinungen vertritt, dann kriegt man sofort die Populisten-Keule. Wenn man einen Aufruf für eine Familie von einem gefallenen Soldaten postet und Geld sammelt, dann kriegt man Stress von der Linken. Und, wenn du sagst, du musst Flüchtlingen helfen, kriegst du Stress von der Rechten.“

Düzen Tekkal (40), Politologin

„Kretzschmar hat recht. Das zeigen die teils heftigen Gegenreaktionen auf seine Äußerung. Wenn ich Fehlentwicklungen benenne bei einem islamistischen Religionsverständnis,
das zu Terror führt, bin ich für manche sofort Islamfeindin. Die Denunzierung Andersdenkender beginnt mit dem Totschlag-Begriff ,Nazi‘. Vor allem damit sollten wir sehr vorsichtig umgehen.“

Stefan Effenberg (50), Ex-Nationalspieler

„Ich sehe das nicht so krass wie Kretzsche. Natürlich kann jeder seine Meinung sagen. Allerdings sind viele vorsichtiger geworden, weil sie wissen, dass das Gesagte durch digitale Medien viel schneller verbreitet wird und viel mehr Menschen erreicht. Die dann auch schnell reagieren können. Ich meine, dass es für eine persönliche Entwicklung ganz gut sein kann, mal Gegenwind zu bekommen und standzuhalten.“

Felix Magath (65), Fußball-Legende

„Wenn ich einen Werbevertrag unterschreibe, dann muss ich mich im Sinne der Firma verhalten. Aber in Zeiten von Fake-News und der Macht einiger Medien ist es natürlich schwieriger geworden, mit anderen Meinungen durchzudringen. Da ist eine Schieflage entstanden.“

  • Nach Kretzschmars Klage

    Darf man wirklich nicht mehr alles sagen?

    Handball-Legende Stefan Kretzschmar hat mit seiner Aussage für Aufsehen gesorgt, in Deutschland gebe es keine Meinungsfreiheit.

Mario Basler (50), Fußball-Querkopf

„Kretzsche hat prinzipiell recht. Man hat schon den Eindruck, dass viele diplomatisch und vorsichtig antworten, weil es sonst Stress geben könnte. Ich lass mir aber nichts verbieten und sage was ich denke. Und habe auch keine Probleme mit meinen Leuten oder Werbepartnern.“

Gyda (24), Betriebswirtin aus Hamburg

„Ich lebe Meinungsfreiheit in Deutschland – sage, was ich denke. Das machen aber nur die Menschen, denen Integrität wichtig ist und die kein Problem mit Anfeindungen und Gegenwind haben. Beides bekommst du nämlich, wenn du zum Beispiel beim Thema Ungerechtigkeit zu deiner Meinung stehst.“

  • Post von Wagner

    Lieber Stefan Kretzschmar,

    natürlich kann man in Deutschland alles sagen, schreiben. Ich teile Ihre Ansicht nicht. Es gibt keine Zensur in Deutschland.

Handball-Legende Heiner Brand (66)

„Ich habe kein Problem, meine Meinung zu sagen. Natürlich wäge ich meine Worte ab. Ich denke schon, dass man als Sportler seine Meinung sagen kann. Man muss natürlich dazu stehen.“

Anna Loos (48), Schauspielerin

„Das ist Quatsch. Ich sage immer meine Meinung und meine Kunden lieben das. Man muss schon ein bisschen nachdenken, also den Kopf auch gerne mal einschalten und nicht nur den Bauch sprechen lassen.“

Hans-Jürgen Papier (75), Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts

„Die Meinungsfreiheit ist eines der wichtigsten Grundrechte unserer Verfassung. Und ich sehe sie nicht in Gefahr. Was Herr Kretzschmar da sagt, halte ich für eine grobe Verzerrung der tatsächlichen Gegebenheiten.“

Jürgen Falter (74), Politikwissenschaftler, Uni Mainz

„Wer bereit ist, den Unwillen der anderen zu akzeptieren, kann seine Meinung frei sagen. Was es gibt, ist informelle Ächtung – also das Kopfschütteln von Freunden und Kollegen. Das muss man aushalten, denn auch deren Kopfschütteln fällt unter Meinungsfreiheit.“

Tom A. (20), Installateur aus Hamburg

„Die eigene Meinung kann einem in Deutschland ganz schnell negativ ausgelegt werden. Bist du unter Freunden, sind sich alle einig. Da kannst du auch mal deine ehrliche Meinung zum Beispiel beim Thema Ausländer und Kriminalität sagen. Sagst du das laut bei der Arbeit oder zu Menschen, die du nicht gut kennst, bist du sofort der Rassist und kommst aus der Schublade nicht mehr raus.“

Michael Stich (50), Tennis-Legende

„Man kann keinem den Mund verbieten und jeder sollte für seine Überzeugung einstehen. Jeder hat das Recht, seine Meinung zu äußern und Stellung zu beziehen. Er muss sich nur bewusst sein, welche Konsequenzen dies haben kann und dass man mit seiner Meinung eventuell auch mal aneckt und polarisiert.“

Sophia Thomalla (29), TV-Star

„Ich störe mich nicht an dieser Debatte. Ich suche den Konflikt, will dass die Leute heiß diskutieren, was ich von mir gebe, und kann auch harte Kommentare ab. Ich bin aber auch unabhängig. Ich kann übrigens diese weichgespülten Sportler nicht mehr sehen. Authentisch ist was anderes.“

Borwin Bandelow (67), Psychotherapeut und Deutschlands führender Angstforscher

„Wenn Herr Kretschmar Werbeverträge abschließt, dann steht da natürlich drin, wozu er sich wie äußern darf – oder nicht. Das ist sein Problem, nicht Deutschlands, der Normalbürger hat das Problem nicht. Seine Wandlung vom Kommunisten zum Kapitalisten muss er mit sich selbst ausmachen – er mag mir ein Land zeigen, in dem man leichter seine Meinung sagen kann, als in Deutschland.“

HEINO (80), Sänger

„Ich habe in meinem Leben immer meine Meinung gesagt, wenn ich gefragt wurde. Und das ist auch heute noch so. Natürlich bin ich oft angefeindet worden, aber wirklichen Schaden habe ich nie genommen.“

Silke Finken (51), Kaufmännische Angestellte aus Bergheim (NRW)

„Ja, es kann schaden, wenn man seine Meinung sagt. Es kommt aber auch auf das Thema und die Art an, wie Kritik geäußert wird. Ich habe das selber schon mal erlebt. Einer meiner damaligen Vorgesetzten wies mich nach einer Kritik im Internet dezent zurecht.”

Wolfgang Grupp (76), Chef des Textilherstellers Trigema

„In Deutschland kann jeder seine Meinung äußern. Dashabe ich stets getan und werde es weiterhin tun. Mit der Wortwahl sollte man niemanden verletzen. Und wer seine Meinung sagt, muss auch Kritik aushalten können.“

Wolf Biermann (82), DDR-Liedermacher, Publizist

„Die Lüge dieses genialen Handballersist ein Eigentor.“

Fabian Hambüchen (31), Olympia-Sieger

„Ich habe in meiner Karriere immer genau das gesagt, was ich dachte. Natürlich war das nicht immer zur Freude der Funktionäre und anderen Menschen. Aber es war ehrlich und letztlich die einzige Chance, meine Träume zu erfüllen. Das zeigt, dass man in diesem Land selbstverständlich seine Meinung sagen darf – und es auch tun sollte.“

Franziska Weisz (38), Tatort-Star

„Dadurch, dass wir in der Öffentlichkeit stehen und auch ein größeres Sprachrohr haben, müssen wir unsere Worte schon bedacht wählen. Bevor man irgendwas sagt, sollte man überlegen: Kann ich damit Menschen verletzen?“

Ahmad Mansour (42), Psychologe und Islam-Kritiker

„Natürlich habenwir Meinungsfreiheit in Deutschland. Aber aus Angst, die Rechten zu stärken, sind in jüngster Zeit Tabus entstanden bei Themen wie etwa Islam oder Integration, die es schwer machen, offen und sachlich zu diskutieren.“

Star-Tenor Tobey Wilson (41)

„Kritisiert man Missstände, wird man schnell zwangsverortet und verliert bei uns in der eher linken Kunstszene auch Jobs. Ich habe das selbst erleben müssen. Debatten gibt es leider kaum mehr, nur noch Gut und Böse – wobei jeder ‚böse’ ist, der unliebsame Wahrheiten ausspricht. Dennoch sage ich weiterhin, was ich denke.“

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