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Und keiner stellte die entscheidende Frage

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26 Fragen und 14 Nachfragen in 73 Minuten – und keiner stellte die entscheidende Frage: Wie lange bleibt Angela Merkel noch Bundeskanzlerin?

Das gibt‘s nur ganz selten: Angela Merkel (64, CDU) stellte sich im Bundestag den Fragen der Abgeordneten – um Punkt 13 Uhr eröffnete Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die Sitzung. Die Themen: Europa, Brexit, Fahrverbote, der UN-Migrationspakt. Aber kein Wort zu einem möglichen vorzeitigen Ende von Merkels Amtszeit. Die Gelegenheit dazu wäre da gewesen, im zweiten Teil der Regierungsbefragung waren alle möglichen Themen erlaubt.

Merkel eröffnete die die Fragestunde mit einem Bericht zum G20-Gipfel und einem kleinen Ausblick auf den EU-Gipfel am Donnerstag. Mit Blick auf das drohende Brexit-Chaos sagte sie, man habe nicht die Absicht, das bereits ausgehandelte Austrittsabkommen zu verändern.

„Sieht so ein europäisches Friedensprojekt aus?“

Die erste Frage stellte der AfD-Abgeordnete Markus Frohnmaier: Das Brexit-Abkommen sei darauf angelegt, das britische Volk für eine demokratische Entscheidung zu bestrafen, so seine These. „Sieht so ein europäisches Friedensprojekt aus?“ Merkels kühler Konter: „Ihre Mischung aus Fakten und Werten teile ich nicht.“

Auch der FDP-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff erkundigte sich nach dem Brexit – er stellte eine „massive Verunsicherung“ der Bürger fest Laut Lambsdorff sei Deutschland nicht gut auf einen harten Brexit vorbereitet. Merkels Antwort: „Ich habe durchaus weiter die Hoffnung, dass es zu einem geordneten Austritt kommt.“ Es sei nicht mehr viel Zeit übrig, aber: Es sei noch Zeit übrig. Man bereite sich parallel auch auf einen harten Brexit vor, rechne aber damit, dass es nicht dazu komme.

Der AfD-Mann Martin Hebner stellte eine Frage zu Deutschland Rolle beim UN-Migrationspakt: Warum die Kanzlerin in Kauf genommen habe, Deutschland in der Frage zu isolieren, wo Nachbarländer den Pakt doch nicht unterstützen würden. Merkel antwortete, die Mehrheit der 28 EU-Mitgliedsstaaten habe den Pakt angenommen – Ungarn dagegen habe vom ersten Tag an gesagt, das Projekt nicht zu unterstützen. Auf die Nachfrage, dass es ja nicht nur Ungarn sei, meinte Merkel: „Wollen wir durchzählen?“ Man würde unter 14 landen… Merkel entschuldigte sich für die Unterbrechung des Abgeordneten, sagte aber unter Applaus: „Als Physikerin geht’s mir bei den Zahlen um die Wahrheit.“

Die europapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Franziska Brantner, unterstellte ein „verlorenes Jahr für Europa“ und wollte wissen, was die Bundesregierung für Europa erreicht habe. Merkel sagte, man gehe mit Frankreich „ambitioniert“ nach vorne. Aber: „Bei einer Minute Zeit ist es bestenfalls möglich, nur einen halben Prozent darzustellen, was wir in diesem Jahr alles gemacht haben.“ Hintergrund: Die Regeln im Parlament geben der Kanzlerin nur 60 Sekunden Zeit, um auf die Frage zu antworten.

Auf die Frage eines AfD-Abgeordneten, ob sie nicht sehe, dass die Menschen vor den Macron-Merkel-Plänen in Europa davon laufen, meinte die Kanzlerin: „Ich glaube, dass wir viel unternommen haben.“ Und weiter: „Ich darf sie darauf hinweisen, dass massiv Arbteislosigkeit abgebaut“ und Wohlstand aufgebaut werden konnte. Dass die EU trotzdem weiter um den Wohlstand kämpfen müssen sei klar, „aber nicht mit so einer Polemik“.

Nach einer Frage von Fabio de Masi (Linken) zur Europäischen Finanzpolitik teilt die Kanzlerin gegen die Links-Partei aus. Sie sagte: „Die uneingeschränkte Unterstützung der Proteste der Gelbwesten in Frankreich ist skandalös, weil sie (die Linken, Anm. d. Red.) kein Wort zur Gewalt sagen, die auf den Straßen angewandt wird.“ Der Linken-Chef Bernd Riexinger hatte seine Solidarität und die der Partei verkündet.

Oliver Luksiv (FDP) brachte das Thema Fahrverbote auf den Plan. Ob die Kanzlerin es verhältnismäßig findet, dass für ein 20-Euro-Bußgeld bald KfZ-Kennzeichen per Videoüberwachung erfasst werden sollen. Würden damit nicht alle Autofahrer unter Generalverdacht gestellt werden? „Die Nummernschilder werden sofort wieder gelöscht, ähnlich wie bei der LKW-Maut“, Merkel habe keine Bedenken. „Ich gehe davon aus, dass das ordentlich geprüft ist.“ Sie ergänzte: Dass die FDP an der Spitze derer steht, die sich gegen Digitalisierung wehre, enttäusche sie.

Wegen des Vorwurfs, dem Bundestag nicht ausreichend Rede und Antwort zu stehen, war auf Drängen der SPD im Koalitionsvertrag vereinbart worden, dass Merkel dreimal jährlich im Parlament persönlich befragt werden kann. Vorher hatten sich bei der Regierungsbefragung Minister häufig durch Staatssekretäre vertreten lassen, Kanzlerauftritte gab es vor diesem Jahr überhaupt nicht. Vorbild ist das britische Unterhaus mit den lebendigen Debatten mit dem Regierungschef.

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