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Warum das nur für zukünftige Verbrechen gilt!

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Macht diese Gesetzes-Änderung WIRKLICH Sinn?

ISIS-Kämpfer sollen ihren deutschen Pass verlieren – darauf hat sich die Bundesregierung offenbar geeinigt. ABER: Das soll nur für zukünftige Verbrechen gelten!

Das heißt: All jene in Haft, die in den letzten Jahren in Syrien und Irak im Namen von ISIS kämpften und deshalb in Haft sitzen, dürfen deutsche Staatsbürger bleiben.

Wie die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, haben sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (69, CSU) und Justizministerin Katarina Barley (50, SPD) darauf geeinigt, Dschihadisten unter drei Bedingungen die Staatsangehörigkeit zu entziehen.

Demnach müssen die Kämpfer:

► volljährig sein

► eine zweite Nationalität besitzen

► sich künftig an Kämpfen beteiligen

Doppelstaatlern kann bereits jetzt die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden, wenn sie sich ohne Zustimmung des Verteidigungsministeriums freiwillig der Armee eines anderen Staates anschließen.

Aber: ISIS ist eine Terrororganisation und kein Staat – auch wenn die Islamisten dies selbst von sich behaupten. Deshalb sieht der neue Gesetzesentwurf vor, dass auch jene Doppelstaatler ihren deutschen Pass verlieren, die sich an Gefechten aufseiten einer Terrormiliz beteiligen – wobei diese definiert wird als Gruppe, die einen Staat beseitigen und durch einen anderen Staat oder staatsähnliches Gebilde ersetzen will.

Warum kann das Gesetz nicht rückwirkend sein?

Rückwirkende Gesetze sind in Deutschland nur sehr begrenzt möglich, und zwar nur dann, wenn sie dem Allgemeinwohl dienen und die Betroffenen begünstigen.

„Das Rückwirkungsverbot ist eine wichtige Säule unseres Rechtsstaats-Prinzips“, erklärt der renommierte Staatsrechtler Prof. Ulrich Battis gegenüber BILD. „Man kann nicht rückwirkend für ein Verbrechen mit einer Strafe verurteilt werden, die zum Zeitpunkt der Tat so hart noch nicht vorgesehen war.“

Der Entzug der Staatsangehörigkeit sei außerdem nicht Teil des Strafrechts, sondern des Verfassungs- und Verwaltungsrechts, und könne nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Änderung erfolgen.

Battis: „Bislang ist der Entzug der Staatsbürgerschaft nur dann möglich, wenn sich jemand ohne Einwilligung des Verteidigungsministeriums freiwillig der Armee eines anderen Staates anschließt. ISIS wird allerdings nicht als Staat anerkannt, weshalb die Ausweitung des Gesetztes auf Terrororganisationen notwendig ist.“

► Auch SPD-Vize Ralf Stegner im BILD-Talk „Die richtigen Fragen“ verteidigt den neuen Gesetzesentwurf: „Ich habe null Empathie für solche Leute und schon gleich gar nicht dafür, was sie tun. Die müssen vor ordentliche Gericht gestellt werden.“

Aber: „Es gehört zu den Grundwerten unser freiheitlichen Demokratie, dass Gesetze nicht rückwirkend gemacht werden. Es sei denn, sie begünstigen jemanden. Das unterscheidet unseren Staat von Diktaturen und von Unrechtsstaaten – und dieser Unterschied sollte uns eine ganze Menge Wert sein.“ ISIS-Kämpfer, die nur einen deutschen Pass haben und damit nicht von der neuen Regelung betroffen sein würden, müssten vor Gericht gestellt werden, sagte Stegner.

Auch Christian Dürr, der Fraktionsvize der FDP im Bundestag, begrüßte die Aussicht auf Ausbürgerung von ISIS-Terroristen – allerdings komme der Vorschlag der Justizministerin zur Gesetzesänderung seiner Meinung nach zu spät.

Dürr habe schon vor ein paar Jahren gefordert, dass Doppelstaatlern, die sich einer ausländischen terroristischen Organisation wie ISIS angeschlossen haben, die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt werden sollte. Hierfür sei er damals noch „von der SPD getreten worden“. Rückwirkende Gesetze seien verfassungsrechtlich immer sehr schwierig – umso wichtiger sei es, das Vorhaben nun schnell umzusetzen, sagte Dürr gegenüber BILD.

Wie können die Kampfhandlungen nachgewiesen werden?

Unklar ist, wie genau die Beteiligung an Gefechtshandlungen definiert wird. Auch die Beweisführung dürfte schwer werden:

Während einige deutsche Dschihadisten sich bei Kämpfen filmten, was den Nachweis vereinfacht, liegen von anderen nur „Poser-Fotos“ mit Waffe vor, die eine Beteiligung mitunter nahelegen, aber nicht unbedingt gerichtsfest beweisen. Unterstützungshandlungen wie Krankentransporte, Zubereitung von Verpflegung für Kämpfer oder Wachdienste dürften eher nicht den Tatbestand erfüllen.

Wie viele ISIS-Kämpfer wären betroffen?

Hinzu kommt: Es ist sowieso nur eine geringe Anzahl deutscher ISIS-Kämpfer, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen.

Circa 80 ISIS-Leute aus Deutschland (nicht zwangsläufig mit deutschem Pass) sitzen in Nordsyrien und Irak in Haft, davon haben knapp ein Dutzend einen Doppelpass.

Viel größer ist die Anzahl von Kämpfern, die in Deutschland zwar geboren wurden, aber KEINEN deutschen Pass haben. Diese Personen verlieren sowieso ihren unbefristeten Aufenthaltstitel, weil sie mehrere Monate außerhalb Deutschlands waren, darunter zum Beispiel Murat Dernjani (Kosovo) oder Yunus Susam (Türkei).

Trifft es auch deutsche ISIS-Frauen?

Bereits jetzt ist es eine Herausforderung für die Bundesanwaltschaft, für weibliche Rückkehrer eine Mitgliedschaft nach 129 a/b zu beweisen, denn hierfür ist der Nachweis einer konkreten Unterstützungshandlung erforderlich. Den Haushalt für einen ISIS-Kämpfer zu erledigen, reicht nach Ansicht der Rechtssprechung nicht aus.

Vor allem die Beteiligung an Gefechten dürfte noch deutlich schwieriger nachzuweisen sein: Denn Frauen sind im „Islamischen Staat“ in der Öffentlichkeit vollverschleiert und zudem selten an Kampfhandlungen beteiligt, auch wenn dies mittlerweile von der ISIS-Führungsebene legitimiert ist und es in den letzten Rückzugsgebieten der Terrormiliz mehrfach Sichtungen kämpfender Dschihadistinnen gab und ISIS selbst auch einige Kämpferinnen in Videos zeigte – aber eben in Vollverschleierung.

Könnten auch ISIS-Gegner ihren deutschen Pass verlieren?

Am problematischsten dürfte sich aber der Zeitpunkt des Gesetzes erweisen.

Denn während das Gesetz in seinen Formulierungen und angesichts der öffentlichen Diskussion eindeutig auf ISIS-Rückkehrer abzielt, würde es vorrangig andere Freiwillige treffen, die zum Beispiel aufseiten der syrisch-kurdischen YPG oder vielleicht sogar der irakisch-kurdischen Peshmerga gegen ISIS kämpften.

Mindestens im Fall der YPG sind die Ambitionen, staatliche Strukturen zu errichten, eindeutig. Auch im Fall der Peshmerga könnte etwa das Referendum in Irakisch-Kurdistan durchaus als Hinweis auf Bestrebung nach einer neuen Staatlichkeit gewertet werden.

Während die meisten deutschen ISIS-Doppelstaatler von dem Gesetz verschont blieben, weil sie bereits in Haft sind und eine Rückwirkung unrechtmäßig wäre, könnten also einige deutsche Freiwillige, die gegen ISIS ins Gefecht zogen, bald ihren deutschen Pass verlieren.

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