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Der Gesang der Wiesenbrüter verstummt

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Kiebitz, Uferschnepfe und Großer Brachvogel legen ihre Nester auf Feuchtwiesen an – doch davon gibt es immer weniger. Helfer versuchen, Brutplätze aufzustöbern und gezielt zu schützen.

Muhr am See (dpa) – Ein lautes Vogelkonzert erklingt an diesem frühen Morgen. In der Dämmerung zwitschert es von überall her, mal kurz und schrill, mal langgezogen.

Verena Auernhammer vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Bayern ist in der Nacht mit ihren Helfern zu der Wiese im mittelfränkischen Altmühltal nahe der Gemeinde Muhr am See gefahren. Sie will mit einer Drohne nach Vögeln suchen, deren Stimmen immer seltener in dem morgendlichen Konzert zu hören sind: Wiesenbrütern.

Solche Vögel – zu ihnen zählen Kiebitz, Uferschnepfe und Großer Brachvogel – tummelten sich vor Jahrzehnten noch zahlreich in Deutschland. Sie richten ihre Nester am Boden ein, am liebsten gut versteckt im hohen Gras feuchter Wiesen. Inzwischen sind die Bestände dramatisch geschwunden: Die Zahl der Uferschnepfen und Kiebitze hat nach Angaben des Vogelkundlers Lars Lachmann vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zwischen 1990 und 2009 um etwa 75 Prozent abgenommen. Der Bestand des Großen Brachvogels verringerte sich um etwa 35 Prozent.

Auernhammer und ihr Team steuern eine Drohne mit Wärmebildkamera über Wiesen und Ackerflächen, um Nester von Wiesenbrütern aufzuspüren. Dort werden dann Schutzzäune gegen Raubtiere montiert. Kameras in den Nestern sollen zudem Aufschluss darüber geben, wie sich die Brut entwickelt. Etwa 15 Nester des Großen Brachvogels haben die Vogelschützer auf diese Weise in den vergangenen Wochen entdeckt.

Auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands werden Uferschnepfe und Brachvogel als "vom Aussterben bedroht" geführt. Der Kiebitz gilt als "stark gefährdet". Die Wiesenvögel sind Lachmann zufolge vor allem in Nordwestdeutschland verbreitet. In Bayern seien sie extrem selten geworden, erklärt der Ornithologe.

Das Hauptproblem ist der Verlust an Lebensraum. Viel Grünland wurde in Ackerland umgewandelt, etwa für den Anbau von Mais als Tierfutter oder für Biogasanlagen. "Der Wiesenanteil ist auf ein kritisches Niveau gesunken", sagt Kai Frobel vom Bund Naturschutz (BN) in Bayern. Zudem würden Wiesen zu oft und zu früh im Jahr gemäht. "Der Traktor kommt viel zu früh – Wiesenbrüter haben gar keine Chance, ihr Nest anzulegen."

Neben dem Drohnen-Projekt im nordbayerischen Altmühltal gibt es weitere Initiativen zum Wiesenvogel-Schutz in Deutschland. In Schleswig-Holstein etwa suchen ehrenamtliche Helfer Flächen schon seit Jahren nach Wiesenvögeln ab. Entdecken sie brütende Kiebitze oder Uferschnepfen, wenden sie sich an den zuständigen Landwirt und bieten ihm eine Ausgleichszahlung an, wenn er die Stelle bei der Bewirtschaftung auslässt oder diese verschiebt.

Die Rechnung zahlt das Umweltministerium des Landes. Die Entschädigung liegt nach Angaben eines Ministeriumssprechers bei 150 bis 350 Euro pro Hektar und Jahr, je nach Anzahl der Brutpaare auf der Fläche.

"Die Landwirte wissen um die Notwendigkeit, etwas für die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu tun", sagt der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken. Der Nabu fordert eine neue Agrarpolitik, die Landwirte auch dafür belohnt, Gemeingüter wie die Vogelvielfalt zu erhalten, wie Lachmann erklärt. Feuchtwiesen, in denen Wiesenvögel gerne brüten, seien derzeit für Bauern wirtschaftlich kaum interessant.

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