Kultur

Micky Beisenherz: Tempo 1000 – danke für die Freiheit!

0

Der Deutsche musste zuletzt vieles erdulden: Die Diesel-Diskriminierung, die Zersplitterung des Bundesliga-Spieltages, die Verkleinerung der Tiefkühl-Pizza – und jetzt auch noch ein Tempolimit auf den Autobahnen? Micky Beisenherz debattiert mit.

Tempo 130 – auf der A40 oder der Leverkusener Brücke in Köln träumen sie davon.

Danke, Angela Merkel! Es tut gut, zu wissen, dass der Flieger in einem nach wie vor freiheitlichen Land aufsetzen wird. Der Deutsche musste zuletzt ja vieles erdulden: Die Diesel-Diskriminierung, die Zersplitterung des Bundesliga-Spieltages, die Verkleinerung der Tiefkühl-Pizza – und natürlich der “Tatort” aus Saarbrücken.

Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen? Das hätte dieses Land wohl nicht überlebt. Schon jetzt hatte ich den Eindruck, dass viele Bürger hinten im Kofferraum gekramt haben, in der Hoffnung, diese nutzlose gelbe Weste endlich für etwas Sinnvolles einsetzen zu können.

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Die Bundesregierung sagt also “Nein” zur Geschwindigkeitsobergrenze, weil es – Zitat Regierungssprecher Seibert – “noch intelligentere Maßnahmen für mehr Klimaschutz im Verkehr” gebe. Was natürlich nicht bedeutet, dass man von diesem Wissen jemals Gebrauch machen wird.

Tempo 130 – auf der A40 oder der Leverkusener Brücke in Köln träumen sie davon. Ansonsten: Was genau ist an Tempo 130 jetzt eigentlich so schlimm, dass heilige Kriege nichts sind gegen die Unerbittlichkeit, mit der sich Befürworter und Gegner der Regulierung gegenüber stehen?

Sicher ist: Wenn eines kein Limit kennt, dann die Dummheit, mit der solche Debatten geführt werden. Wahlweise wird Tempo 130 zum Mahnmal der finalen Freiheitsberaubung des mündigen Bürgers erklärt oder das (schnelle) Auto zur Blech gewordenen toxischen Männlichkeit. Dass der mittlerweile unumgängliche “alte, weiße Mann” seine halbtoten Bewahrungsterroristengriffel mit drin hat, ist eh klar.

Ist es denn so schlimm, höchstens 130 fahren zu dürfen? In ganz Europa gilt diese Regel. Mindestens dort. Wobei “Europa” eher selten dafür geeignet ist, Menschen für irgendeine Idee zu begeistern. Dennoch: Wann immer ich in Holland bin, hab ich selten den Eindruck, mich im Zentrum automobiler Knechtschaft zu befinden. Das gleiche gilt für Schweden oder Italien, ja, sogar dieses England (die Älteren werden sich erinnern).

Tempo-Touristen auf der linken Spur

Natürlich ist es nett, beim Tempo 180 den Tempomaten reinzuhauen, um für zwei Kilometer zwischen der einen und der anderen Autobahnbaustelle Freiheit und Abenteuer zu genießen. Das wäre es dann auch schon.

Auf der anderen Seite: Wenn gerade mal wieder eine AMG-Ladung Vollhirnis mit ihrer rollenden Shisha mit Raketenantrieb von hinten auf einen zuknallt, als wollten sie in der Zeit zurück reisen, dann kommt einem so ein Verbot gar nicht so dumm vor. Wobei es schon immer schön ist, wenn verzweifelt lichthupende emiratische Tempo-Touristen in ihrem Lambo auf der linken Spur hinter einem ockerfarbenen Jetta auf ihren Meister treffen.

Wenn der Effekt fürs Klima sich stark in Grenzen hält – den Verkehr sicherer machen würde es allemal. Ja, schon richtig: In Frankreich, wo die Höchstgeschwindigkeit ebenfalls abgeriegelt ist, gibt es mehr Verkehrstote als hierzulande. 

Französische Autos sind die Lösung

Andererseits: Haben Sie schon mal in einem französischen Auto gesessen? Man kann das eigentlich nur mit allgemeiner Unachtsamkeit erklären. Wer sich sehenden Auges für einen Renault entscheidet, kriegt auch sonst nicht viel mit. Vielleicht aber wäre es auch eine Lösung für den hiesigen Verkehr, alle deutschen Verkehrsteilnehmer zum Kauf französischer Autos zu verpflichten. Wer nicht will, dass das letzte Bild von sich selbst in einem Citroen Cactus ist, achtet womöglich auch ein wenig mehr auf eine sichere Fahrweise.

Und sind wir mal ehrlich: Wenn jemand wie Verkehrsminister Andreas Scheuer (Sie lachen völlig zu Recht!) eine Idee grundsätzlich ablehnt, kann die so schlecht ja gar nicht sein. Vorschlag zur Güte, liebe Bundesregierung: Wenn ihr nicht wollt, dass die Leute so rasen, macht doch die Landschaft drum herum einfach schöner! In Australien oder in der Toskana käme keiner auf die Idee, die Landschaft wegzuheizen.

Trotzdem: Ich glaub, ich werde morgen erstmal mit ‘nem alten Diesel mit 180 Sachen auf ‘nem Frauenparkplatz im Kreis fahren, um meine Freiheit zu leben! Und dabei noch böllern.

Sicher ist sicher.

Birds of Prey: Margot Robbie gibt Kostprobe als schrille Harley Quinn

Previous article

Einschaltquoten: O’zapft is: «Bier Royal» startet stark

Next article

You may also like

Comments

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Kultur