Deutschland

Journalisten – auch im Exil bedroht

0

Deutschland ist Zufluchtsort vieler verfolgter Journalisten – nicht zuletzt wegen der Möglichkeiten, hier unabhängigen Journalismus zu betreiben. Einige Reporter müssen aber auch im deutschen Exil vorsichtig sein.

Am Eingang des Bürogebäudes in Berlin-Kreuzberg ist keinerlei Hinweis auf MeydanTV zu entdecken; die erfolgreiche aserbaidschanische Online-Plattform will nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen. Der 39-jährige Direktor und Gründer, Emin Milli, ist schon unmissverständlich bedroht worden. Ein Mitarbeiter eines aserbaidschanischen Ministers, sagt Milli, habe ihm am Telefon gesagt, er solle nicht glauben, dass er in Deutschland sicher sei. Ein Kollege von MeydanTV wurde vor einiger Zeit aus Georgien verschleppt und sitzt jetzt in Aserbaidschan im Gefängnis. Es gibt also Gründe, vorsichtig zu sein.

Mit Frau und Kind ist Milli vor sechs Jahren aus seiner Heimat geflohen, wo er schon zweimal hinter Gittern saß. Als Journalist könne man dort nicht arbeiten, sagt er, jedenfalls nicht, wenn man dem Regime gegenüber kritisch eingestellt sei. Und das ist Emin Milli. Die Regierung unter Präsident Aliyev hält er für “autoritär, kriminell und korrupt”. Die verbalen Bedrohungen, meint Milli, müsse man als Exiljournalist aushalten.

DW_PLAYER.shareLocalization = “Teilen”;
DW_PLAYER.localization = {
rewind: “10 Sek. zurückspulen”,
settings: “Einstellungen”,
hd: “Qualität”,
fullscreen: “Vollbild”,
cc: “Untertitel”,
nextUp: “Nächstes Video”,
playlist: “Playlist”,
pause: “Pause”,
play: “Abspielen”,
player: “Videoplayer”,
prev: “Vorherige Videos”,
next: “Nächste Videos”,
close: “Schließen”,
replay: “Wiederholen”,
volume: “Lautstärke”
};

Journalismus ist gefragt, nicht Propaganda

Die Webseite MeydanTV ist zwar in Aserbaidschan von der Regierung blockiert, aber diese Sperre weiß man in dem Land am Kaukasus zu umgehen. Milli spricht von mehr als einer Million Usern in seiner alten Heimat. Das macht Meydan (deutsch: Platz) zu einem der erfolgreichsten Exilmedien, die von Deutschland aus berichten. Die Plattform ist auch deshalb so beliebt, weil sie die User einbezieht: Viele Aserbaidschaner schicken der Redaktion selbst gedrehte Videos, in denen sie über ihre Probleme mit der Politik berichten.

Meydan veröffentlicht diese Clips dann journalistisch aufbereitet. Alle Webvideos sind nach westlichen Maßstäben professionell gemacht und lassen den Verdacht von Propaganda gar nicht erst aufkommen. “Manchmal,” sagt Emin Milli nicht ohne Stolz, “kommt es sogar vor, dass die lokalen Politiker die Situation der Menschen vor Ort verbessern, nachdem wir darüber berichtet haben.”

Viele Hilfsangebote in Deutschland

Mehrere Hundert Exiljournalisten leben und arbeiten nach Angaben von Reporter ohne Grenzen in Deutschland und es werden jedes Jahr mehr. Die genaue Zahl ist nicht erfasst. Die meisten treibt der Ehrgeiz, weiter über ihre Heimat zu berichten, am liebsten natürlich in ihrer Muttersprache. Das ist nicht einfach, wenn man gerade im deutschen Exil angekommen ist.

Aber eine ganze Reihe von Organisationen sind beim Neuanfang behilflich. Reporter ohne Grenzen zum Beispiel leistet Unterstützung im Asylverfahren, bei Deutschkursen, organisiert Unterkünfte, berät die Kollegen medial und vernetzt sie mit anderen Exiljournalisten.

Pen Deutschland vergibt ein- bis dreijährige Stipendien für Schriftsteller und Journalisten. Der Deutsche Journalisten Verband DJV bietet spezielle Workshops für Exiljournalisten an, vergibt deutsche Presseausweise und unterstützt Projekte wie das arabisch- und persischsprachige Programm Amal Berlin. Die Körber Stiftung unterstützt diverse Projekte mit Exiljournalisten darüber hinaus mit Geld. Und mit dem Exile Media Forum gelang ihr im letzten Jahr eine erfolgreiche Konferenz, in der viele Netzwerke geknüpft wurden – auch zu deutschen Medien.

Anne Renzenbrink von Reporter ohne Grenzen: Denkbar schlechte Bedingungen für die Pressefreiheit in der Türkei, Russland, Vietnam und Aserbaidschan

Nur wenige deutsche Medien bieten Jobs an

Allerdings sind die meisten deutschen Zeitungen und Sender wenig freigiebig, wenn es um Praktika, Volontariate oder gar Anstellungen von Exiljournalisten geht. Rühmliche Ausnahmen: Die Tageszeitung “Hamburger Abendblatt” hat drei Kollegen aus Syrien, dem Iran und Afghanistan eingestellt, der Norddeutsche Rundfunk (NDR) einen Exil-Volontär und die Deutsche Welle beschäftigt mehrere Dutzend Exiljournalisten vor allem in ihren Fremdsprachen-Redaktionen Russisch, Farsi, Dari/Paschtu und Arabisch.

Beim deutschen Auslandssender weiß man die Sprach- und Landeskenntnisse der Kollegen seit vielen Jahren zu schätzen. “Die Exilkollegen”, erklärt der stellvertretende Chefredakteur Ingo Mannteufel, “haben eine hohe Glaubwürdigkeit bei den Zuschauern, Internet-Nutzern und Hörern der DW.”

Fundraising in Skandinavien und den USA

Dennoch, sagt Emin Milli, ist es schwer in Deutschland Gönner zu finden, die dauerhaft Geld für Exilmedien zur Verfügung stellen. Deshalb verbringt er einen großen Teil seiner Zeit mit Fundraising im Ausland, vor allem in Nordeuropa und den USA. Immerhin müssen insgesamt 25 Mitarbeiter von MeydanTV bezahlt werden.

Lohnt es sich denn, den ganzen Stress, die Bedrohungen und die dauerhafte Trennung von Familie, Freunden und Kollegen zu ertragen? Ein klares “Ja” dazu von Emin Milli. In einem Land ohne echte Demokratie und freie Presse müssten eben Exilmedien die Regierung kritisieren. “Ich nehme viele kleine Fortschritte in Aserbaidschan wahr, und ich glaube, auch durch unsere Arbeit”, sagt er. “Eines Tages werden wir die Ergebnisse sehen. Es dauert leider in Aserbaidschan etwas länger als in anderen Ländern.”

Viel mehr Klimaschutz gefordert

Previous article

Darknet-Plattform “Wall Street Market” ausgehoben

Next article

You may also like

Comments

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Deutschland