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Wohin mit den deutschen ISIS-Monstern?

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Soll Deutschland die gefangenen ISIS-Kämpfer mit deutschem Pass zurückholen? US-Präsident Trump fordert das. In Berlin gibt es aber Bedenken.

Wohin also mit den ISIS-Monstern?

Mit einem Tweet hatte Trump andere Staaten aufgefordert, mehr als 800 in Syrien gefangene ISIS-Kämpfer zurückzunehmen und vor Gericht zu stellen. Falls die Verbündeten nicht reagierten, seien die USA gezwungen, die Kämpfer auf freien Fuß zu setzen.

Die Bundesregierung hatte sich bislang nicht um eine Lösung des Problems bemüht, obwohl seit 2017 mehr und mehr Deutsche in Nordsyrien festgesetzt wurden. Seit Trumps Tweet wird die hochumstrittene Rückführung deutscher ISIS-Mitglieder heftig diskutiert.

Aber was kann die Bundesregierung denn eigentlich tun? Und wer sind die deutschen ISIS-Mitglieder eigentlich? BILD beantwortet acht wichtige Fragen in der Debatte.

Wie viele deutsche ISIS-Mitglieder sind noch im Ausland?

Nach Angaben deutscher Sicherheitsbehörden sind seit 2013 „gut 1050 Personen“ aus der Bundesrepublik in die Kriegsgebiete in Syrien und Irak gezogen und haben sich dort islamistischen Gruppierungen angeschlossen, die meisten von ihnen ISIS.

▶ ︎Ein Drittel von ihnen ist bereits nach Deutschland zurückgekehrt, wie das Innenministerium mitteilt. Darunter sind vor allem Frauen und Kinder.

▶ ︎Ein weiteres Drittel hat nach Angaben von Günter Krings, parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, keinen deutschen Pass, sondern nur eine Aufenthaltsgenehmigung. Diese müsse nach der Rückkehr aus dem Nahen Osten nicht erneuert werden.

▶ ︎Etwa 200 Dschihad-Reisende sind Schätzungen zufolge in den Kriegsgebieten ums Leben gekommen.

▶︎ Gut vier Dutzend ISIS-Mitglieder mit deutscher Staatsbürgerschaft und knapp 80 Kinder befinden sich mittlerweile in den Camps und Gefängnissen der YPG-Miliz in Nordsyrien. Einige ISIS-Mitglieder wie Lukas Gläß aus Dortmund, Martin Lemke aus Zeitz oder Leonora Messing aus Sangerhausen wurden erst in den vergangenen Wochen aufgegriffen, andere sitzen bereits seit mehr als einem Jahr ein, etwa der Stuttgarter Dirk Pleil und die Münchenerin Sandra Meyer.

ISIS in Syrien und dem Irak

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Bereiten sich die Behörden auf die Rückkehr der ISIS-Mitglieder vor?

Der Bundesnachrichtendienst entsendet Beamte in den Irak und nach Nordsyrien, um die ISIS-Mitglieder zu befragen. Im Irak wurden ISIS-Mitglieder auch von BKA-Beamten befragt.

Ermittlungen in Deutschland werden zumeist von der Bundesanwaltschaft sowie dem BKA und den jeweiligen Landeskriminalämtern geführt.

Wie ist die Bundesregierung bisher mit dem Problem umgegangen?

In der Vergangenheit hatte die Bundesregierung dabei auch mit irakischen Behörden zusammengearbeitet – und akzeptierte deren Anklagen und Verurteilungen. Einige ISIS-Mitglieder sitzen deshalb bereits in irakischen Gefängnissen. Einer der prominentesten Fälle: Die 17-Jährige Linda W., die 2018 von einem Gericht in Bagdad zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde.

Vor allem einige Frauen und Kinder sind in den letzten Jahren schon nach Deutschland zurückgekommen. Oftmals sind diese Frauen auf freiem Fuß – aus Mangel an Beweisen für die Mitgliedschaft in der Terrormiliz. Denn für eine Verurteilung nach §129a/b muss eine Unterstützungsleistung nachgewiesen werden. Aktuell hat die Bundesanwaltschaft gegen fünf deutsche Frauen Anklage erhoben.

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Ein spezieller Fall ist der Dinslakener Nils Donath. Dieser wurde nach seiner Rückkehr im März 2016 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt, nicht aber wegen anderer Verbrechen. Nachdem ein Zeuge in BILD Donath auch wegen Folter und Mord belastet hatte, kam es zu einer zweiten Anklage, wie der Bundesgerichtshof entschied: Diesmal muss sich der Dinslakener wegen Kriegsverbrechen verantworten.

Muss Deutschland deutsche ISIS-Anhänger zurücknehmen?

Grundsätzlich gilt: Deutschland hat eine völkerrechtliche Verantwortung für deutsche Staatsbürger. Auch eine Ausbürgerung ist nicht so ohne Weiteres möglich, denn der Betroffene darf durch den Passentzug nicht staatenlos werden.

Ausnahme für eine mögliche Ausbürgerung: Der Eintritt in die Streitkräfte oder bewaffneten Verbände eines ausländischen Staates. So steht es in Artikel 17 des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Die Mitgliedschaft in der Terrormiliz reicht damit nicht aus, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu verlieren.

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Kann man ISIS-Veteranen die Staatsbürgerschaft entziehen?

Für ISIS-Schergen mit doppelter Staatsbürgerschaft könnte sich die Gesetzeslage aber bald verschärfen. Wie „Welt“ berichtet, verzögert sich ein Gesetzentwurf, der die Ausbürgerung deutscher ISIS-Mitglieder mit doppelter Staatsbürgerschaft ermöglichen soll.

Dieser Vorschlag wurde bereits im Koalitionsvertrag vereinbart und besagt: Kann man ISIS-Anhänger mit doppelter Staatsbürgerschaft die Beteiligung an den Taten der Terrormiliz nachweisen, können sie ihre Staatsbürgerschaft verlieren.

Zurzeit liegt der Entwurf allerdings auf Eis. Das Bundesjustizministerium hat zum Entwurf des Innenministeriums bislang keine Stellung genommen. Zudem gilt auch im Falle der ISIS-Anhänger das Rückwirkungsverbot.

Heißt: Alle Anhänger, die sich vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes ISIS angeschlossen haben, können nachträglich nicht dafür verurteilt werden.

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Was machen die anderen Länder mit ihren Rückkehrern?

Russland, Kasachstan, Indonesien und Mazedonien haben bereits in größerem Umfang ihre dschihadistischen Staatsbürger aus dem Irak und Syrien zurückgeholt oder befinden sich aktuell im Rückholungsprozess. Europaweit gibt es derzeit verschiedene Reaktionen auf eine mögliche Rückkehr:

▶ ︎GROSSBRITANNIEN: Innenminister Sajid Javid hatte sich schon vor dem Appell Trumps ablehnend geäußert: „Meine Botschaft ist klar – falls jemand Terrororganisationen im Ausland unterstützt hat, werde ich nicht zögern, seine Rückkehr zu verhindern.“ Der britische Justizminister David Gauke betonte aber, dass es rechtliche Probleme geben könnte.

▶︎ FRANKREICH: Aus Paris gibt es derzeit Signale, dass Frankreich gut 130 Dschihadisten aus Nordsyrien zurückholen könnte.

▶︎ DÄNEMARK: Außenminister Anders Samuelsen sagte, er wolle nicht, dass einer der Kämpfer zurück nach Dänemark komme. „Es handelt sich um einige der gefährlichsten Menschen der Welt“, erklärte der außenpolitische Sprecher von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen. Er will prüfen lassen, ob es möglich ist, ihnen die dänische Staatsbürgerschaft zu entziehen.

▶︎ ÖSTERREICH: „Wir sind da sehr zurückhaltend, für uns geht der Schutz der österreichischen Bevölkerung natürlich vor“, sagte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Rechtlich ist Österreich verpflichtet, seine eigenen Staatsbürger zurückzunehmen. Allerdings: Sobald jemand in den Militärdienst eines fremden Landes eintritt, verliert er die österreichische Staatsbürgerschaft. Laut Gesetz darf dadurch aber niemand staatenlos werden.

▶︎ BELGIEN: Die belgische Regierung wehrt sich derzeit gegen ein Gerichtsurteil, was die Rückholung von sechs belgischen Kindern und deren Müttern anordnet.

▶︎ SCHWEIZ: Rund 30 Kämpfer mit Schweizer Pass sind seit 2001 in den Dschihad gezogen. Was mit inhaftierten Schweizern passieren soll, wird derzeit diskutiert. Die Regierung in Bern will darüber im Frühjahr entscheiden. Einige Parteien fordern, den Menschen den Schweizer Pass zu entziehen und damit die Rückkehr zu verhindern.

▶︎ BALKAN: Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Mazedonien und Kosovo führten ab 2015 relativ strenge Gesetze gegen Menschen ein, die sich Terrororganisationen wie Al-Nusra oder IS (bzw. ISIS) angeschlossen haben. Rückkehrer werden seitdem meist zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

▶︎ SCHWEDEN: Das Land hat keine Pläne, IS-Kämpfer zurück ins Land zu holen. Die schwedische Außenministerin Margot Wallström sagte, ihr Land habe seit 2011 vor Reisen nach Syrien gewarnt. „Sollte man trotzdem dorthin reisen, kann man nicht auf konsularische Unterstützung zählen.“

▶︎ NIEDERLANDE: „Die Niederlande lehnen die Rückkehr ab“, sagte Außenminister Stef Blok. Allerdings ist die Koalition nicht einer Meinung. Die linksliberale D66 ist für eine koordinierte Heimkehr und will eine europäische Lösung. Im Kriegsgebiet sollen rund 40 ehemalige niederländische Dschihadisten gefangen sein.

Die USA haben mehrfach ihre gefangenen Staatsbürger aus Nordsyrien zurückgeholt und dann angeklagt – obwohl die USA keine Botschaft in Syrien unterhalten. Das Auswärtige Amt behauptet stets, dass eine Rückführung deutscher Dschihadisten nicht möglich sei, weil es keine deutsche Botschaft in Syrien gäbe.

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Gibt es jetzt UN-Gerichtshöfe für die ISIS-Mitglieder?

Das zumindest fordert die kurdische PYD, deren YPG-Miliz in Nordsyrien derzeit Hunderte Dschihadisten bewachen muss. Ob es in Nordsyrien allerdings die nötige Infrastruktur für hinreichende Ermittlungen und Gerichtsverfahren in dieser Größenordnung gibt, ist fraglich.

Wo werden die ausländischen ISIS-Mitglieder inhaftiert?

Derzeit vor allem in den Gefängnissen der irakischen Sicherheitskräfte, in denen oftmals Schnellgerichte Urteile fällen, die häufig fernab von Wahrheitsfindung und Rechtsstaatlichkeit agieren. In Nordsyrien verwahrt die kurdische YPG-Miliz Hunderte ausländische ISIS-Mitglieder, hat aber klargestellt, dass sie weder willens ist, noch über die Ressourcen verfügt, um diese anzuklagen und zu verurteilen.

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