Politik

»Wir haben überall Angst vor einer Vergewaltigung

0

Indien wurde von 550 Experten im vergangenen Jahr als das gefährlichste Land der Welt für Frauen eingestuft. Gleichzeitig ist das 1,3-Milliarden-Einwohner-Land dabei, sich zu einer wirtschaftlichen Großmacht zu entwickeln. Die indische Journalistin Anmol Raina (Chefredakteurin der Website „WomenNow.in“) schreibt in BILD über die alltägliche Unterdrückung und Gefahren für die 600 Millionen Frauen im Land:

„Geschlechterdiskriminierung ist die häufigste Form der Diskriminierung in Indien. Obwohl wir eine Regierung und eine Verfassung haben, die Männer und Frauen immer gleich behandelt hat, ist die Gesellschaft voller Vorurteile. Auf die Geburt eines Mädchens folgen immer auch Beileids- und Mitgefühlbekundungen von Freunden und Bekannten. Und diese Beileidsbekundungen sind wohlverdient: nicht für die Familie, sondern für das Baby.

Frauen sind das Eigentum der Familie des Ehemannes

So lange ich mich erinnern kann, wurde mir nie gesagt, dass mein Elternhaus einmal mir gehören würde. Aber als mein Bruder geboren wurde, wurde er direkt zum Erben erklärt – und zwar von allem, was meiner Familie gehört. Man fühlt sich als Frau nicht zur leiblichen Familie zugehörig. Man bekommt gesagt, dass man das Eigentum der Familie, in die man einheiratet, ist.

Haushalte mit niedrigem Einkommen verfügen nicht über genügend Ressourcen, um alle ihre Kinder zur Schule zu schicken. So wird Bildung das Geschenk der Bildung der besseren Investition – nämlich dem Sohn. Und so können gut ein Drittel der Frauen nicht lesen und schreiben. Selbst in den bürgerlichen Familien gibt es die Angst, Töchter zu sehr auszubilden. Denn wenn sie gebildeter sind als ihre potenziellen zukünftigen Ehemänner, werden sie nicht geheiratet.

Noch schlimmer ist, dass wir Frauen Angst vor der Außenwelt haben müssen. Wir haben nicht die Freiheit, das zu tragen, was wir wollen, weil wir deswegen ermordet werden können. Obwohl sich die Situation verbessert hat, ist sexuelle Belästigung immer noch Alltag.

Die Angst vor Vergewaltigung

Was sich nicht verbessert hat, ist die Angst, vergewaltigt zu werden, wenn man als Frau nach Einbruch der Dunkelheit außerhalb von zu Hause ist oder einen unbekannten oder verlassenen Weg entlang geht. Das Schlimmste: Dem Vergewaltigungsopfer wird die Schuld gegeben. Die Gesellschaft sucht so lange, bis sie Gründe dafür findet: ,Das eine Mal, als sie einen kurzen Rock trug oder zu lange mit einem Jungen sprach …‘ Und plötzlich wird die Vergewaltigung als Schuld des Opfers angesehen. Alles, was die Täter tun, wird durch ,Jungs sind halt Jungs‘ entschuldigt.

  • 6 Jahre nach Massenvergewaltigung

    Dreijährige in Delhi vergewaltigt – Zustand kritisch

    Immer wieder Indien: In Delhi fiel ein Mann (40) über eine Dreijährige her, vergewaltigte sie. Der Zustand des Mädchens ist kritisch.

  • Immer wieder Indien

    Stiefmutter beauftragt Vergewaltigung von Kind (9)

    Danach stachen die Täter dem Mädchen die Augen aus, töteten es. „Gott, mach aus diesen Bestien Menschen“, twitterte der Polizeichef.

Die Ehe als Schutz vor Verbrechen

Anstatt all das zu ertragen, warum heiraten wir Frauen nicht? Die Ehe wird als Schutz vor allen Verbrechen gegen Frauen angesehen.

In den meisten Familien wird der Beruf der Frau nur als Hobby betrachtet. Denn wenn sie heiratet – was sie tun muss – ist der Mann der Ernährer. Frauen dürfen nicht einmal ihren Bräutigam auswählen. Unter dem Deckmantel der Wahlfreiheit erhalten sie ein kleines Mitspracherecht darüber, wen sie heiraten – nachdem ihre Familien die möglichen zukünftigen Ehemänner überprüft und ausgewählt haben.

Was wir aber als Gesellschaft ignorieren, sind die Vergewaltigungen in der Ehe, häuslicher Missbrauch, Zwangsabtreibungen und all die Verbrechen, die nach der Hochzeit passieren.

Die alte Praxis des Mitgifts erniedrigt immer noch Familien und diskriminiert Frauen. Um Demütigungen zu vermeiden, muss die Familie der Braut Tausende und manchmal sogar Millionen Rupien ausgeben, um die Forderungen der Familie des Bräutigams zu erfüllen. Es gibt immer noch Fälle, in denen Frauen lebendig verbrannt wurden oder Selbstmord begangen haben, wenn ihre Familien keine Mitgift zahlen konnten.

  • Schlimme Zahlen aus Indien

    239 000 Mädchen sterben wegen Vernachlässigung 

    Mädchen sind in in vielen Teilen Asiens unerwünscht. Hier erklären zwei Expertinnen die Hintergründe und die Folgen.

Witwen werden ausgestoßen

Es ist ebenso barbarisch, wie Witwen behandelt werden. Sie werden geächtet und von zukünftigen Bräuten ferngehalten, um zu verhindern, dass sie Unglück bringen.

Sie dürfen kein Make-up oder helle, bunte Kleidung tragen. Denn wenn sie es tun, wird die Gesellschaft sie als Frauen mit ,losem Charakter‘ brandmarken. Noch schlimmer ist die Behandlung von Geschiedenen. Zu viele Frauen in Indien sind diesem Leben unterworfen. Wir dürfen das nicht ignorieren.

Die Regierung versucht mit sozialen Programmen zu helfen, und sie machen erhebliche Fortschritte. Aber diese Programme haben keine Wirkung, wenn Frauen nicht wissen, wie sie sie zu ihrem Vorteil nutzen können.

Wir sind ein Land, in dem die Religion der Mehrheit der Bevölkerung der Hinduismus ist. Eine der wenigen Religionen, die noch heute weibliche Gottheiten verehren. Aber wir sind auch das Land des weiblichen sogenannten Ehrenmords.

Wir sind eine Gesellschaft, in der Frauen als Vertreterinnen der Werte einer Familie angesehen werden. Aber wir sind auch eine Gesellschaft, in der dieselben Frauen zu Hause diskriminiert werden.

Die Situation hat sich verbessert, aber nicht in dem Tempo, in dem sie es sollte. Und ich glaube nicht, dass es wirklich besser wird, solange die Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihre Vorurteile und ihren Fanatismus zu überwinden.“

Alt-Kanzler Schröder ätzt gegen SPD-Chefin Nahles

Previous article

Eckpunkte für Grundsteuer-Reform stehen

Next article

You may also like

Comments

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Politik