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Tor für die tote Großmutter: BVB enteilt der Liga dank Derbyheld Sancho

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Jadon Sancho widmet sein Tor seiner verstorbenen Großmutter.

Von Felix Meininghaus, Gelsenkirchen


Jadon Sancho avanciert zum Dortmunder Derbyhelden: Nach drei Jahren gibt es wieder einen BVB-Sieg. Dem FC Schalke 04 zieht der Tabellenführer der Fußball-Bundesliga damit auf unglaubliche 22 Punkte davon.

Nach dem Abpfiff hüpften die Spieler von Borussia Dortmund wie übermütige Kinder vor dem Block auf und ab, in dem ihre Fans einen Sieg bejubelten, der in Dortmund und überall sonst im Ruhrgebiet seit jeher als besonders wertvoll eingestuft werden. Spiele gegen den FC Schalke 04 sind seit Generationen Glaubenskämpfe, die im fußballverrückten Revier zwischen Emscher und Lippe niemanden kalt lassen.

Die 174. Auflage des ewig jungen Klassikers stand unter besonderen Vorzeichen: Nie zuvor betrug der Abstand beider Mannschaften bereits in der Vorrunde 19 Punkte, was zum einen daran liegt, dass der BVB als Tabellenführer eine beinahe makellose Bilanz von zehn Siegen und drei Remis vorweisen konnte, und zum anderen daran, dass die Schalker die Hypothek von fünf Niederlagen zu Saisonbeginn mit sich rumschleppen.

Beim Revierderby darf eine Rudelbildung nicht fehlen.

Dennoch hatte Marcel Schmelzer sein Team bei der kurzen Auswärtstour nicht als eindeutigen Favoriten identifiziert. Der ehemalige Dortmunder Kapitän verwies auf den Pokalcharakter dieses besonderen Aufeinandertreffens: "In einem Derby ist es egal, welchen Platz die jeweilige Mannschaft belegt. Da kommt es auf die 90 Minuten an – und darauf, wie sehr man dieses Spiel gewinnen möchte."

"Ich bin so müde"

Dass die Dortmunder den Vorsprung auf den ungeliebten Rivalen auf unglaubliche 22 Zähler ausbauten, lag allerdings nicht daran, dass sie mehr Leidenschaft und Willen in die Begegnung einbrachten, sondern die größere individuelle Klasse, die dem BVB den prestigeträchtigen Sieg bescherte, obwohl er nicht mit der Souveränität eines Spitzenreiters agierte. Am Ende gewann die Borussia ein spielerisch eher schwaches aber dafür umso leidenschaftlicher geführtes Spiel mit 2:1 (1:0), weil sie mit Thomas Delaney und Jadon Sancho zwei Akteure in seinen Reihen wusste, die ihr erstes Derby gleich für Torerfolge nutzten.

Der Treffer von Sancho war bemerkenswert, weil das 18-Jährige Ausnahmetalent vor dem Tor erstaunlich abgebrüht agierte. Zudem hatte der Engländer im Verlaufe der Woche aufgrund des Todes seiner Großmutter einige Trainingseinheiten verpasst, weil er zuhause in London gebraucht wurde. Dementsprechend widmete Sancho sein Tor seiner Oma. "Es war eine wirklich schwere Woche für ihn", berichtete sein Trainer Lucien Favre: "Aber er wollte unbedingt das Spiel auf Schalke machen."

"Ich bin so müde", sagte der zweite Matchwinner Delaney nach dem Abpfiff, "aber es ist einfach nur geil." Sein Kollege Marco Reus ergänzte: "Wir haben 90 Minuten das Spiel dominiert, uns in der zweiten Halbzeit allerdings von der komischen Spielweise der Schalker einschläfern lassen."

Spiel hielt nicht, was Watzke versprochen hatte

Am Ende jubeln die Gelb-Schwarzen im 174. Revierderby.

Trotz dreier Tore war es keine Begegnung, die großen Erinnerungswert besitzt. "Die Schalker werden bis an die Grenzen des Erlaubten gehen, auch körperlich", sagte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke vor dem Anpfiff: "Darauf müssen wir gefasst sein." Gesonderte Motivationsmaßnahmen im eigenen Lager hielt Watzke vor dem "emotionalsten und spannungsgeladensten aller Derbys" für unangebracht. Ganz schön viele Superlative, die das kickende Personal erst Mal rechtfertigen musste.

Das Spiel hielt allerdings nicht das, was sich Watzke und alle anderen der 61.767 Besucher versprochen hatten. Dabei ging es doch für die Gäste, die weiterhin zielstrebig auf die neunte Meisterschaft ihrer Vereinsgeschichte hinsteuern, so schwungvoll los: In der siebten Minute landete ein Freistoß von Marco Reus auf dem Kopf von Thomas Delaney, der keine Mühe hatte, zur Führung abzuschließen. So unbedrängt war der Mittelfeldspieler wahrscheinlich seit seiner Kindheit im dänischen Fredirksberg nicht mehr ans Spielgerät gekommen.

"Was fehlt, ist die Durchschlagskraft"

Die Dinge schienen nun auf einen ungefährdeten Sieg der Dortmunder hinzusteuern, was auch daran lag, dass die Schalker in der Vorwärtsbewegung nicht viel zustande brachten. Der agilste Akteur war noch Trainer Domenico Tedesco, der unablässig mit wild rudernden Armen in seiner Coachinzone auf und ab tigerte, um seine Spieler zu mehr Durchschlagskraft aufzufordern. Viel genutzt hat es nicht, die leidgeprüften Fans mit ihren Pudelmützen bejubelten schon Einwürfe und Eckbälle wie Torerfolge. "Was schlichtweg bei uns fehlt, ist die Durchschlagskraft", bemängelte Trainer Domenico Tedesco: "Wir finden den Spieler in der Box nicht."

Immerhin gelang es den Schalkern, das Spiel offen zu gestalten. Dortmund hatte Glück, dass der Unparteiische Daniel Siebert aus Berlin ein Handspiel von Axel Witsel nicht ahndete und auch der Video-Schiedsrichter nach Betrachten der Bilder die Auffassung vertrat, der Regelverstoß sei nicht absichtlich gewesen.

In der zweiten Halbzeit kam die Fachkraft in Köln zu einem anderen Urteil, als sie einen Zweikampf von Reus gegen Harit als Foulspiel wertete. Eine harte Entscheidung, Daniel Caligiuri verwandelte den fälligen Strafstoß souverän. "Da waren wir am Drücker", sagte der Torschütze, "und dann leisten wir uns einen Ballverlust, der völlig unnötig war." Reus betonte bei seiner Wertung der spielentscheidenden Szene, als der eingewechselte Raphael Guerreiro den durchstartenden Sancho mustergültig in Szene setzte, den künstlerisch wertvollen Aspekt: "Das war unheimlich gut rausgespielt, wir trainieren das genau so."

Das war fein beobachtet vom Kapitän. Der darf für sich und sein Team auf der Habenseite verbuchen, dass es im Herbst des Jahres auch dann zum Sieg reicht, wenn die Darbietungen spielerisch manchen Wunsch offen lassen. Kein Zweifel: So agieren Mannschaften, die für große Titel infrage kommen.

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