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Pressefreiheit: Bald Knast fürjournalistische Enthüllungen?

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Gesetz über Geschäftsgeheimnisse erschwert Arbeit von Reportern

Droht Journalisten in Deutschland, die Skandale aufdecken, bald eine Gefängnisstrafe wegen Veröffentlichung von Geschäftsgeheimnissen? Diese Gefahr sehen Experten durch den Entwurf für ein „Geschäftsgehemnisgesetz“, zu dem es heute im Rechtsausschuss des Bundestages eine Anhörung gibt.

Die Tätigkeit investigativer Journalisten wird durch den Gesetzentwurf erheblichen neuen strafrechtlichen Risiken unterworfen“, erklärt der Berliner Rechtsanwalt Christoph Partsch. Er ist einer der Experten bei der Anhörung im Rechtsausschuss und vertritt BILD in Klagen auf Akteneinsicht und Presseauskunft gegen verschiedene Behörden. Das neue Gesetz definiert außerdem den Begriff Geschäftsgeheimnis neu. Es ist zu befürchten, dass nach dieser neuen Definition Auskünfte nach Pressegesetz oder Akteneinsichten nach den Informationsfreiheitsgesetzen erheblich erschwert werden.

Der Gesetzentwurf ist die Umsetzung der Richtlinie der Europäischen Union zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Der deutsche Gesetzentwurf weicht aber an entscheidender Stelle von der europäischen Richtlinie ab: Der Verrat von Geschäftsgeheimnissen wird unter Strafe gestellt, ohne der Presse eine Bereichsausnahme zu geben. Auf europäischer Ebene gibt es diese Ausnahme für Journalisten. Die Bundesregierung erschwert die Arbeitsbedingungen für Journalisten somit gravierend, ohne dass dies von der EU gefordert wird.

Ulrike Fröhling, Leiterin der Arbeitsgruppe Transparenz in den Medien bei der Organisation Transparency Deutschland: „Das ist skandalös und erhöht das Risiko der Journalisten, sich bei einer Berichterstattung strafbar zu machen. Auch Hinweisgebern wird das Leben zusätzlich schwergemacht. Wenn sich Journalisten im Rahmen ihrer normalen Tätigkeit strafbar machen, wer kann dann den Schutz der Quellen garantieren?“

Transparency fordert in einer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf: „Die Freiheit der Presse und der Berichterstattung muss dringend geschützt werden. Gemeinwohlinteresse muss zudem den Partikularinteressen übergeordnet sein.“

Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland.: „Die Aufdeckung von Straftaten liegt im öffentlichen Interesse. Es ist absurd, wenn gegen einen Hinweisgeber oder einen Journalisten für einen Dienst am Gemeinwohl strafrechtlich vorgegangen wird.“

Auch nach der bisherigen Rechtslage sind Journalisten, die Skandale enthüllen, nicht vor Strafverfolgung sicher. So ermittelt die Staatsanwaltschaft in Hamburg auf ein Strafverfolgungsübernahmeersuchen aus der Schweiz gegen Oliver Schröm, den Chefredakteur der Enthüllungsplattform CORRECTIV. Das Journalisten-Team von CORRECTIV veröffentlichte den Skandal um die so genannten Cum-Ex-Geschäfte, bei denen sich Banken mindestens 55 Milliarden Euro Steuergelder erschlichen haben sollen.

„Diese Ermittlungen sind aus Sicht des Deutschen Journalisten-Verbands völlig inakzeptabel“, so der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Er fordert deshalb aus dem aktuellen Fall Konsequenzen zu ziehen: „Der Bundestag muss bei der geplanten Gesetzesnovelle zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen die besondere Rolle der verfassungsmäßig garantierten Pressefreiheit erkennen und entsprechende verbindliche Schutzvorschriften festlegen.“

Presserechtler und BILD-Anwalt Professor Jan Hegemann sieht durch den Gesetzentwurf auch das Zeugnisverweigerungsrecht, ein Fundament investigativer journalistischer Arbeit, in Gefahr. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte er: „Es gibt gegenwärtig aus meiner Sicht einen groben handwerklichen Fehler in dem Gesetz: Wem Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offenbart werden, der kann unter Umständen verpflichtet werden, über seine Quelle und den Inhalt dieser Geheimnisse Auskunft zu geben. Und das widerspricht diametral dem journalistischen Zeugnisverweigerungsrecht aus der Strafprozessordnung.“

Auch die FDP kritisiert den Gesetzentwurf: „Es ist mehr als fragwürdig, wenn journalistische Tätigkeiten unter Strafe gestellt und letztlich erst auf Rechtfertigungsebene von der Strafe ausgenommen werden. Das damit gesetzte Zeichen an die Medienunternehmen und die investigativ tätigen Journalisten ist fatal. Hier muss Maß und Mitte gefunden werden“, betont der FDP-Abgeordnete Thomas Hacker.

Die FDP-Bundestagsfraktion fordert außerdem ein Presseauskunftsgesetz auf Bundesebene und hat dazu einen Antrag im Bundestag gestellt. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2013 gelten Landespressegesetze nicht mehr für Bundesbehörden. Der Auskunftsanspruch der Journalisten gegenüber Bundesbehörden stützt sich nach der Entscheidung aber auf das Grundgesetz. Unklar ist allerdings wie weitreichend dieser Auskunftsanspruch ist. Das will die FDP jetzt in einem neuen Gesetz regeln. Demnach soll das Presseauskunftsrecht sich nicht nur auf Auskunftserteilung beschränken, sondern auch auf Akteneinsicht erweitert werden.

„In Zeiten von “Fake-News” und Populisten braucht es eine starke vierte Gewalt im Staat. Journalismus braucht Zeit, Sorgfalt und ungehinderten Zugang zu relevanten Informationen. Dieser Zugang muss gesetzlich geregelt werden“, erklärt Thomas Hacker, medienpolitischer Sprecher der FDP Bundestagsfraktion.

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