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Oscar-Favorit: «Green Book»: Mister Shirley und sein Chauffeur

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Zwei hervorragende Schauspieler und eine warmherzige Geschichte: «Green Book» geht als einer der Top-Favoriten ins Oscarrennen.

Tony «The Lip» Vallelonga (Viggo Mortensen) findet, dass Don Shirley (Mahershala Ali) sich einen neuen Anzug zulegen sollte. Foto: eOne Germany

Fünf Nominierungen, darunter auch eine in der Spitzen-Sparte für den besten Film: Bei den Oscars liegt «Green Book – Eine besondere Freundschaft» bestens im Rennen.

Wie gut es um die Chancen für das warmherzige Drama mit Viggo Mortensen und Mahershala Ali wirklich steht, war zuletzt allerdings unklar, denn in den vergangenen Wochen gab es einerseits negative Schlagzeilen zum angeblich unsensiblen Umgang mit dem Rassismusthema des Films und andererseits Erfolge bei den Golden Globes und den Awards der Produzentengilde, von der viele Mitglieder auch bei den Oscars abstimmen dürfen. Neben «Roma» und «The Favourite» zählt «The Green Book» nun aber zu den Anwärtern auf die begehrte Trophäe als bester Film des Jahres. Und seinen Namensgeber gab es wirklich.

Drei Jahrzehnte lang nämlich erschien in den USA bis in die Mitte der 1960er Jahre das «Negro Motorist Green Book», ein Reiseführer herausgegeben von Victor Hugo Green, der besonders in den Südstaaten zum Einsatz kam. Schwarze waren damals nur in bestimmten Restaurants und Hotels erlaubt, und das kleine Büchlein sammelte Adressen, in denen sie Essen und Übernachtungen bekamen. Auch der weiße, aus der Bronx stammende Italiener Frank «Tony Lip» Vallelonga bekam von einem Bekannten ein solches Buch in die Hand gedrückt, als er mit dem schwarzen Musiker Don Shirley zu einer zwei Monate langen Autofahrt aufbrach. Shirley war ein Jazz- und Klassik-Wunderkind und musste zu einer Konzerttournee in die US-Südstaaten. Die beiden wurden während der Fahrt zu ungewöhnlichen Freunden, genau davon erzählt der Film.

Die Stärke dieses Roadmovies liegt vor allem in kleinen Szenen und Vignetten: Der feingeistige Musiker lernt vom ruppigen Türsteher, mit Freude Hähnchenschenkel zu essen und die Reste aus dem Fenster zu werfen. Eine Reifenpanne, bei der schwarze Feldarbeiter es nicht fassen können, wieso ein Weißer für einen von ihnen den Reifen wechselt. Vallelonga, wie er Shirley zu seiner chaotischen italienischen Familie nach Hause einlädt und alle wild durcheinander reden. Die beiden erkennen trotz aller Unterschiede ihre Gemeinsamkeiten und die Momente, in denen Shirley seinem neuen Freund dabei hilft, ausgeklügelte Liebesbriefe an seine Frau nach Hause zu schreiben, geraten zu den amüsantesten des Films.

Dieses zugrundeliegende Motiv zweier sehr unterschiedlicher Freunde ist nicht neu, hier aber gut umgesetzt. Wie auch schon beim bereits zum vierten Mal verfilmten Musikdrama «A Star is Born» (mit Lady Gaga und Bradley Cooper) oder beim in Deutschland noch startenden Ehedrama «Wildlife» (mit Carey Mulligan und Jake Gyllenhaal) zahlt es sich aus, großartige Schauspieler an Bord zu haben. Mortensen und Ali hauchen zwei stereotypen Charakteren im Stil von «Ziemlich beste Freunde» und «Miss Daisy und ihr Chauffeur» viel Leben ein. Mortensen geht auf in der Rolle des leicht übergewichtigen italienischen Raubeins, Ali zeigt mit dem süffisanten Hochziehen eines Mundwinkels mehr schauspielerisches Können als andere in zwei Stunden. Beide haben sicherlich Auszeichnungen für ihre Leistungen verdient.

In der Darstellung der Diskriminierung und Hautfarbenproblematik dieser Geschichte beweist Regisseur Peter Farrelly («Verrückt nach Mary», «Dumm und Dümmer») aber nicht immer historisches Feingefühl. Vallelonga hilft Shirley mehrfach aus brenzligen Situationen, zeigt ihm den Wert von Familie und bekommt im Gegenzug erst durch den Schwarzen aufgezeigt, wie rassistisch er selbst ist. Wie so oft konzentriert sich damit also ein Hollywood-Film vor allem auf seine weiße Figur. Auch der letzte noch lebende Bruder des realen Don Shirley erklärte, wie unzufrieden er und andere Familienmitglieder mit «Green Book» seien. Der Film tue so, als habe Shirley seine Familie oder die Gemeinschaft der Schwarzen in den USA verleugnet und das sei nicht der Fall gewesen, erklärte Maurice Shirley. Schauspieler Mahershala Ali entschuldigte sich daraufhin bei ihm.

Unter dem Strich bietet der warmherzige Film vor allem zwei fantastische Schauspieler, die auf der Höhe ihres Könnens großartige Chemie entwickeln – der aber letzten Endes mit so breiten Pinselstrichen zeichnet, dass zu genaues Hinschauen dem Wohlfühlfaktor schadet.

Green Book – Eine besondere Freundschaft, USA 2018, 131 Min., FSK ab 6, von Peter Farrelly, mit Viggo Mortensen, Mahershala Ali, Linda Cardellini

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