Politik

„Breite Zustimmung“ für rechte Szene in Deutschland

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Bedrückende Zahlen über braunen Terror, bewundernswerte Beispiele mutiger Hilfsbereitschaft: Die größte Gefahr in der Not ist das Wegschauen. Dunja Hayali (45) kombiniert die Themen “rechtsextreme Gefahr” und “Zivilcourage” zu einem Aufruf gegen Feigheit und Gleichgültigkeit.

Die Gäste

  • Holger Münch (57). Der BKA-Chef lässt seine Leute „mit Nachdruck“ 500 untergetauchte Rechtsextremisten jagen.
  • Mehmet Daimagüler (51). Der aus dem NSU-Prozess bekannte Strafverteidiger wirft den Sicherheitsbehörden vor, auf dem rechten Auge „nicht blind, aber sehbehindert“ zu sein.
  • Philip Scheffler (44). Der frühere Chef einer rechtsextremen „Kameradschaft“ warnt heute an Schulen vor Neonazis.
  • Linda Cariglia (18). Die Gütersloherin rettete zusammen mit einer Freundin eine Frau vor einem marokkanischen Vergewaltiger.
  • Esther Schweins (49). Die Schauspielerin zog im Februar auf Mallorca einen Ertrinkenden aus dem eiskalten Mittelmeer.

Gruselige Typen, beklemmende Reaktionen, das ging unter die Haut. Auch das Zoff-o-Meter blieb nicht still!

Schlimmste Zweifler und Leugner

Auf einem Konzert mit Nazi-Texten („Heil dem Reich“) spricht die ZDF-Moderatorin eine bekennende Nationalsozialistin auf die sechs Millionen Opfer des Holocaust an. Freche Gegenfrage: „Waren Sie dabei, bei den Morden?“

Ein Ex-NPD-Funktionär höhnt in die Kamera, die Nazi-Zeit sei für ihn ein „schwarzes Loch“, denn: „Da liegt ein Leichenberg, aber ich kann nicht zuordnen, welcher Leichenberg das ist!“

Gefährlichste Situation

Ein Sänger brüllt ins Mikrofon: „Ich stehe auch heute noch zum deutschen Reich, denn wir sind Skinheads für alle Zeit!“

Die ZDF-Kamera macht die rechtsradikalen Zuhörer noch aggressiver, und Hayali zieht sich zurück: „Aus Sicherheitsgründen bittet die Polizei uns, das Zelt zu verlassen!“

Beste Botschaft

„Die Polizei achtet darauf, dass die Verbote eingehalten werden“, stellt der BKA-Chef fest. „Solche Veranstaltungen dienen der Vernetzung, der Solidarisierung, der Stabilisierung der Szene.“

„Alkoholverbote sind extrem wichtig!“ fügt er noch hinzu. Ex-Neonazi Scheffler bestätigt den Frust ohne Bier: „Das hat sie schwer getroffen. Das Polizei-Prinzip der 1000 Nadelstiche, das Durchgreifen, das funktioniert!“

Grausamste Drohung

„Die Stimmung ist heute noch einen Tick intensiver als in den 1990er Jahren“, sagt Scheffler über die Szene, „weil es inzwischen so eine breite Zustimmung gibt.“

Rechtsanwalt Daimagüler, der NSU-Opfer vertrat, prangert Nazi-Wut im Internet an, die sich auch gegen ihn selbst richte, und zitiert „Gewaltphantasien, in denen bis ins Detail geschildert wird, wie wir umgebracht werden sollen: ‚An Klaviersaiten werden wir dich aufhängen!‘“

Klarste Analyse

„Was wir im Internet an Hetze erleben, muss uns Angst machen!“ warnt Münch.

Scheffler sieht auch die AfD in der Verantwortung: „Ich glaube, der harte Kern der Neonazis erträumt sich, dass es eine immer größere Radikalisierung gibt, wenn immer mehr Menschen zu dieser Partei gezogen werden!“

  • Dunja Hayali

    »Ich kämpfe täglich vier Stunden gegen Hass im Netz

    Die Auseinandersetzung mit Nachrichten und Hass im Netz nimmt für ZDF-Moderatorin Dunja Hayali (44) den Rau einer Halbtagsstelle ein.

  • Mordfall Lübcke bei Illner

    Gibt es eine Neonazi-Armee im Untergrund?

    Nach dem Mordfall Lübcke stellt Illner die Frage nach rechtem Terror in Deutschland – ihre Gäste lieferten teils beunruhigende Antworten.

Härtester Vorwurf

Daimagüler fürchtet rechtsextremistische Angriffe auf Kommunalpolitiker wie den erschossenen Regierungspräsidenten Walter Lübcke: „Es gibt keinen polizeilichen Schutz!“ behauptet er. Bei der Polizei herrsche stattdessen „Überforderung und Desinteresse“.

Da geht doch noch das Zoff-o-Meter an, denn diesen Vorwurf möchte Münch nicht auf den Kollegen sitzen lassen: „Es gab auch Schutzmaßnahmen im Fall Lemcke!“ erklärt er, fordert aber auch: „Wir müssen deutlich mehr investieren!“

Mutigste Erklärung

Im zweiten Teil des Talks stellt Hayali zwei besonders mutige Frauen vor: Linda Cariglia eilte mit ihrer Freundin Karolina Smaga in Bielefeld einer jungen Frau zu Hilfe, die von einem Marokkaner (25) vor einer Disko in ein Gebüsch gezogen worden war.

„Ich hatte keine Angst“, berichtet die junge Heldin, die jetzt den Zivilcourage-Preis der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY… ungelöst” erhielt. „In dem Augenblick ist das wie Atmen: Das macht man einfach, und man denkt nicht drüber nach.“

Traurigste Geschichte

Esther Schweins, die auf Mallorca lebt, saß dort in einem Restaurant, als ein betrunkener Spanier ins Wasser torkelte und weit draußen in den Wellen verschwand.

Die Schauspielerin reagierte als einzige sofort, schwamm dem Mann hinterher und schaffte es zusammen mit anderen, ihn aus dem eiskalten Wasser zu ziehen. Sanitäter brachten den 40-jährigen in ein Krankenhaus, wo er wenig später starb.

Bewegendste Erklärung

Die Schauspielerin stürzte sich mutig ins Meer, obwohl sie 2004 in Sri Lanka die Tsunami-Katastrophe miterlebt hatte. „Die anderen sind alle sitzengeblieben“, stellt Hayali fest. „Kannst du dir erklären, warum?“

„Es haben Menschen geweint, nicht über den Mann, sondern über ihre eigene Ohnmachtserfahrung, dass sie nicht in der Lage waren“, antwortet die Schauspielerin. „Ich kann das alles nachvollziehen. Ich bin weit davon entfernt, das zu verurteilen.“

Zitat des Abends

„Der Staat lässt sie im Regen stehen!“ (Daimagüler über Opfer rechtsextremistischer Hass- und Drohmails).

Fazit

Intensive Reportagen, harte Interviews, klare Ansagen, die Talkmasterin immer auf der Höhe: Das war ein Talk der Kategorie „Unterrichtsmaterial“.

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