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Bereitet die SPD heute die GroKo-Scheidung vor?

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Experte: „Die SPD hat endlich kapiert, dass sie sozialpolitisch liefern muss“

Die SPD will die sozialpolitische Wende – aber kann sie dann auch in der GroKo bleiben? Oder besiegelt sie heute den Anfang vom Ende der Koalition mit CDU und CSU?

Am Sonntagnachmittag kommt die SPD zu einer zweitägigen Klausurtagung in Berlin zusammen. Im Mittelpunkt der Beratungen steht das Konzept der Parteispitze um SPD-Chefin Andrea Nahles für eine grundlegende Reform des Sozialstaats.

▶︎ Darin unter anderem enthalten: Bürgergeld anstatt Hartz IV, Kindergrundsicherung, erweiterte Ansprüche auf das Arbeitslosengeld. Auch die Vorschläge von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zur Einführung einer Grundrente für langjährig Versicherte sollen beschlossen werden.

In anderen Worten: Die SPD erfindet sich neu, will ihre sozialpolitische Identität wiederfinden und die vielen verlorenen Wähler zurückgewinnen. Ziel: Zurück aus der Bedeutungslosigkeit, zurück zu einem glaubwürdigen Profil.

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Doch die SPD muss neben ihrer Selbstfindung auch noch regieren – in einer Koalition mit der Union. Kein Geheimnis, dass viele der neuen SPD-Vorschläge dort auf Ablehnung treffen.

Ist das heute also nichts anderes als der Entschluss zur GroKo-Scheidung?

Experte: „Die SPD bereitet die GroKo-Trennung längst vor“

Politikwissenschaftler Hajo Funke ist sich sicher, dass die SPD sich über alle Flügel hinweg für die sozialpolitische Wende entschieden hat: „Es geht um die soziale Identität der Partei.
Und inhaltlich ist es sehr relevant. Viele Menschen aus dem Osten sind betroffen.”

Politikwissenschaftler Wolfang Merkel sieht in der SPD Neuausrichtung die Markierung für „die Sollbruchstelle für Ende des Jahres. Wenn sich dann die Umfragewerte nicht verbessert haben trotz einer Schärfung des sozialdemokratischen Profils, gibt es parteistrategische Gründe aus der Großen Koalition auszusteigen. Das wird dann auch das Ende von Merkels Kanzlerschaft bedeuten.“

Professor Heinrich Oberreuter, Politiloge von der Uni Passau, ist sich dagegen ganz sicher: „Die SPD bereitet die GroKo-Trennung längst vor – von Kühnert bis Gabriel. Sie hat bewußt mehrere Konfliktfelder eröffnet mit legislatorischen Plänen an Kanzlerin und Koalitionspartner vorbei.“

Wenn schon nicht die geplante Scheidung, so wird die Möglichkeit der Trennung zumindest in Kauf genommen, erklärt Politikwissenschaftler Jürgen Falter: „Es ist ein strategisches Hinarbeiten auf den nächsten Wahlkampf und die nächste Wahl. Die soll eigentlich erst 2021 sein – aber so etwas kann schnell ein Eigenleben entwickeln. Der Versuch sich in der Koalition als Partei stärker zu profilieren ist gefährlich – er stellt die GroKo letztlich in Frage, falls die Parteien zu weit auseinander driften. Eine Eigendynamik durch zunehmende Entfremdung ist nicht auszuschließen. Dann könnte sich beim Bilanzziehen im Herbst auch der Groko-Bruch quasi von selbst einstellen.“

Neues SPD-Konzept könnte die AfD schwächen

Außerdem glaubt Funke, dass die SPD-Wende, auch die AfD schwächen könnte:„Gemeinsam mit einer klugen Politik der CDU, kann so die AfD im Osten gestellt werden und geschwächt werden. Das ist gerade deshalb notwendig, weil die AfD in Zukunft einen national-sozialen Kurs einschlagen wird. Es ist für den Bestand der Demokratie brandgefährlich, wenn die AfD sich als soziale Alternative verkaufen kann. Es ist also ein Gebot demokratiepolitischer Vernunft jetzt soziale Demokratie zu machen.“

Das klingt also eindeutig danach, als sei die neue Strategie der SPD unumgänglich: „Ob es zu einem Bruch der GroKo kommt, hängt vor allem von der Führung der CDU ab. AKK hat sowohl einen konservativen als auch einen sozialen Ansatz. Ein Bruch ist gleichwohl nicht auszuschließen. Denn fest steht: Die SPD meint es dieses Mal ernst. Aus der bitteren Erfahrung der vergangenen Jahre im sozialen Bereich keine zureichenden Akzente gesetzt zu haben.“

Funke glaubt, dass es egal ist, wer letztlich den Kurswechsel einleitet: „Wer die Wende an der Spitze der SPD vollzieht ist sekundär, wenn die Partei sich darin einig ist und er ernst meint. Und aktuell spricht mehr dafür als dagegen.“

„Die SPD hat endlich kapiert, dass sie sozialpolitisch liefern muss“

Merkel glaubt, dass nun das Gesamtkonzept entscheidend ist: „Das ist nicht nur eine Frage der Kraft und nicht auf Andrea Nahles begrenzt. Es ist auch eine Frage des überzeugenden Auftretens nach Außen wie nach Innen. Im Übrigen betrifft es die gesamte Regierungsmannschaft der SPD im Bund wie den Ländern. Sie alle müssen schleunigst eine stimmige Gesamtpolitik vorlegen, sonst wird keine neue sozialdemokratische Erzählung daraus.“

Falter sieht das anders: „Frau Nahles hat zwar eine linke Vergangenheit, aber sie ist doch so stark im Partei- Mainstream sozialisiert, dass ein Glaubwürdigkeitsproblem entstehen kann.
Außerdem muss Nahles die Partei gleichzeitig profilieren und in der Regierung halten.
Das wird schwierig. Vielleicht gibt es eine Arbeitsteilung mit Scholz – er macht die Regierungsaufgaben und sie macht den deutschen Corbyn. Letztlich hat Nahles wohl nicht die Autorität, das alles in der Partei durchsetzen zu können.“

Wichtig sei nur, dass die SPD sich jetzt nicht wieder beginnt bei wichtigen Themen aufzuspalten, so Funke: „Die SPD muss um ihres Überlebenswillen durchhalten mit der aktuellen Einigkeit. Die SPD hat endlich kapiert, dass sie sozialpolitisch liefern muss. Reden hilft nicht, sie muss handeln!“

Merkel stellt genau diese Einigkeit in Frage: „Die SPD ist gespalten. Der traditionelle Flügel um den Seeheimer Kreis verkennt nicht die wirtschaftlichen Erfolge der Kanzlerschaft Schröders. Dieser hatte nach den Reformen bei der Bundestagswahl 2005 immerhin noch 34,2% mit der SPD erzielt. Heute verheißen Umfragen gerade mal die Hälfte der Wählerstimmen.

Fazit: Die SPD scheint es dieses Mal ernst zu nehmen. Allerdings war Einigkeit in der SPD in der letzten Zeit meist nur von kurzer Dauer. Sollte sich die SPD nicht wieder selbst im Weg stehen, kann sie an Profil zurückgewinnen. Doch der große Knall in der GroKo wird dann auch wahrscheinlicher.

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